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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Hellblau – das ist der Jakob, nur daß in ihren ein gewisses Mißtrauen glimmt, oder ist es Berechnung?

7
    A m nächsten Morgen werden die Schuttcontainer angeliefert. Früh um acht hebt ein Schwenkkran sie an rasselnden Ketten von der Ladefläche des Transporters. Als sargförmige Schatten schweben sie über dem Buckelpflaster und werden vor dem Trümmergrundstück abgesetzt.
    Krahwinkel hat wieder mal gespart, die Container tragen einen Pelz aus braunem Rost. Der Dachdecker ist schon seit sieben da, mischt sich unaufgefordert ein und dirigiert mit weit ausholenden Gesten und heiseren Rufen den Kran. »Stop, so is gut, laangsam. Jetzt runter.« Kalle und Buddy stehen – die Hände in den Taschen – dabei und bewundern ihn, mehr gibt es noch nicht zu tun. Wenn der Durchbruch in die Mauer geschlagen ist, warten auf sie einfache Räumarbeiten.
    Das Trümmergrundstück ist übersät mit Müll. Eispapier, dreibeinige Stühle, eine Stehlampe, herausgerissene Waschbecken, ein Gasherd, und was noch über die Jahre so anfiel auf dem Kattenbug und bequem über die Mauer geworfen werden konnte. Alles liegt verstreut zwischen zerbröckelten Kellertreppen, grauroten Trennmauern und Türbögen. Darüber wuchert schütteres Gras, Knöterich, saftige Brennesseln und Essigbaumtriebe.
    Der eigentliche Abbruchtrupp hat sich beim Kiosk versammelt, bestellt Kaffee und von den Brötchen, die Lena geschäftstüchtig bereitgestellt hat. »Die Arbeit rennt uns schon nicht weg, was? Tun Se ma noch eins mit Salami, zwei Scheiben, dick Butter.«
    Karla steht an der Eistruhe und schmiert Nachschub, belegt die halben Brötchen mit Käse, Salami und Ei. Nach dem Frühstück kaufen die Männer in den schweren Stahlkappenschuhen noch Zigaretten, stecken sie in ihre Hemdtaschen, tippen zum Abschied kurz an die gelben Helme. »Dann wolln mer mal, bevor der Alleskönner da auch noch die Bauleitung übernimmt«, sagt der Vormann grinsend.
    Die Materiallaster rumpeln über das Pflaster. Bauzäune, Drahtgitter, Latten, schweres Werkzeug, Baumaschinen, Schubkarren werden angeliefert.
    Ab halb neun dröhnen die Preßluftbohrer. Begleitet vom hohen Klirren lose aneinander schlagender Metallringe, fressen sie sich kreischend in Mauerfugen. Ziegelsteine werden mit Vorschlaghämmern zersprengt. Der Bagger kommt nicht, und der junge Krahwinkel gerät in Wut. Der Abbruchunternehmer hat eine lukrativere Baustelle dafür gefunden. Krahwinkel hat zwar Geld, geizt aber damit. Das Handy am Ohr, stolpert er schreiend über die Baustelle.
    Nikita läuft auf der gegenüberliegenden Straßenseite entlang, bleibt mit dem Rücken vor dem Metzgerfenster stehen und kaut die Luft beim Beten.
    »Vater unser, der du bist im Himmel. Vater unser, der du bist im Himmel.« Noch achtzehn Mal, dann ist sie fertig.
    Es sirrt und jault, während die Dämonen einzeln und höchst widerwillig den Ziegeln entweichen. Ob das gut ist, sie einfach so freizulassen? fragt sich Nikita und sehnt sich nach den Walküren vom Antiquar. Der schreiend gestikulierende Krahwinkel sieht aus wie der Zauberlehrling, der sich mit unbeherrschbaren Mächten eingelassen hat. Nikita senkt den Blick, als sie weitergeht, die Totenschädel vom Kwiatkowski mag sie auch tagsüber nicht anschauen. »Ich hätte gestern ein paar Spültücher mitbringen müssen«, seufzt Lenchen. »Die werden mächtig Staub aufwirbeln, da muß man jeden Tag über die Flaschen gehen. Besser, ich zieh ’ne Plastikfolie über den Zeitungsständer.« So hat sie immer mit dem Jakob gesprochen, den Tag in lauter kleine sinnvolle Pläne eingeteilt, jeden Tag.
    »Trotzdem, ein gutes Geschäft, so eine Baustelle«, sagt Karla aufmunternd und grüßt lächelnd den jungen Krahwinkel, der geschäftig vorbeieilt. Er grüßt zerstreut zurück. Lenchen sieht er nicht, und sie ist in Gedanken ganz beim Geschäft.
    »Früher hätten die jetzt schon kistenweise Bier und Wasser mitgeschleppt. Die rechnen mit dem Pfennig. Wenn wir Pech haben, kriegen die das mit dem Bier vom Drogeriemarkt spitz.« Sie nimmt sich ein Brötchen und kaut vorsichtig darauf herum, ihre Jacketkronen sitzen nicht mehr fest, für anständigen Ersatz fehlt das Geld, seit Jakob tot ist. Der hätte das Geld einfach aus der Kasse genommen.
    »Das wird schon, Lenchen, kümmere du dich erst mal um die Zähne, den Rest besorg ich.«
    Karlas Stimme beendet Lenchens Erinnerungen.
    »Mehr als sechs Paletten Bier stehen beim Drogeriemarkt nicht rum. Wie wär’s, wenn wir die

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