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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Neumarkt. Linie 1, Richtung Bensberg. Die Zahl hat sie sich gemerkt, nur nicht den Namen der Haltestelle, ist weit draußen.
    »Bis später«, sagt Karla mechanisch, als Nikita die Tür öffnet.
    »Bis dann«, antwortet das Mädchen, dreht sich noch mal um. »Danke. Vielleicht komm ich morgen wieder.«
    »Klar, warum nicht? Ich warte.«
    Der Rest der Schicht ist so quälend langweilig, daß Karla die Weinflaschen putzt, die Lenchen am Sonntag nicht mehr geschafft hat.
    Morgen muß ich mit ihr reden, denkt Karla. Schon wegen der Wohnung, die im zweiten Stock über dem Kiosk freigeworden ist. Ich muß, sonst denkt sie wer weiß was, wenn sie drauf kommt. Mit den Lebenden ist das Gespräch noch schwieriger als mit den Toten.

11
    U m acht sitzen sie im Hinterzimmer vom »Fährmann« unter den Schließkästchen vom Sparverein. Der Antiquar lehnt sich tief in die gepolsterte Banklehne, betrachtet angewidert ein braun gewordenes Foto der »Fregatte Braunschweig« und hat die Arme vor der Brust verschränkt.
    Lenchen sitzt zwischen ihm und Kwiatkowski und trinkt in zwei Zügen ihr erstes Kölsch, hoffentlich gibt’s auch Rotwein, falls es länger dauert. Die Quittländer sitzt so vage auf der Kante ihres Stuhls, daß sie ihre eigenen Knochen im Hintern spürt. Sie wartet noch auf den Kamillentee. Keiner sagt was, bis der Wirt mit einem Glas heißem Wasser und einem vertrockneten Teebeutel vorbeigekommen ist und beides auf der rotweißkarierten Stoffdecke abstellt.
    »Zucker auch?«
    »Nein, aber etwas Milch bitte sehr und einen sauberen Löffel.«
    Der Wirt schüttelt sich, greift zu einem anderen Tisch und stellt ihr das Milchkännchen hin, den Löffel hat er schon vergessen.
    Rose Quittländer macht aus dem Eintauchen des Beutels eine Teezeremonie. Langsam saugt sich Wasser ins Papier, sie zieht den Beutel am Fädchen hoch und läßt ihn wieder runter, hoch und wieder runter.
    »Können wir?« fragt Kwiatkowski ungeduldig, weil alle in das Auf und Ab des Teebeutels versunken sind.
    »Zweiachtzig ist ganz schön happig dafür«, bemerkt die Quittländer mit der Nase über dem Teeglas und blickt vorwurfsvoll in die Runde.
    »Ich zahl das«, sagt Kwiatkowski mit wegwerfender Handbewegung. »Also, bevor der Mensch von der Zeitung kommt, will ich Ihnen was zeigen.«
    »Welche Zeitung?« fragt Rose entsetzt.
    »Einer vom Boulevard. Die andern haben keine Zeit.« Und kein Interesse. Der vom Boulevardblatt kommt nur wegen Krahwinkel, ist ein Name in der Stadt, kennt jeder. Mit so einem Namen kann man im Lokalteil immer eine Geschichte verkaufen, vor allem weil sich die Leute über seine Parkhauspreise aufregen.
    »Ein Journalist?« fragt Lenchen vorsichtig.
    »Der Typ, der über Jakobs Beerdigung geschrieben hat.« Lenchen erinnert sich, vor allem daran, daß fast nichts gestimmt hat in dem Bericht, Jakobs Alter nicht – zuviel – die Zahl der Trauergäste – zuwenig – ihr Name – Leila. Dafür gab es ein Foto, vorletzte Seite, dreispaltig. Der Dachdecker steht an dem offenen Grab und hat die kleine Schaufel in der Rechten, die Linke preßt er theatralisch an sein Herz, hat gewußt, daß er fotografiert wird. Dabei hatte er nicht mal für den Kranz vom Kattenbug gesorgt. Die von der Zeitung haben das Bild genommen, weil der Dachdecker so richtig nach original Kiezgröße aussieht.
    »Was soll der Aufstand?« fragt der Antiquar. Kwiatkowski zieht behutsam Buddys Fundstück aus einem Stoffbeutel, stellt es auf den Tisch.
    »Wird das 'ne spiritistische Sitzung?« fragt Rose Quittländer entzückt.
    »Sozusagen«, antwortet Kwiatkowski. »Sie wissen, was das ist?«
    »Ein Chanukkaleuchter«, sagt der Antiquar mit verärgerter Gelassenheit.
    »Chanukka«, verschluckt sich Lenchen an dem Wort. »Was ist denn das?«
    »Jüdisches Lichterfest, wird im Dezember gefeiert, jeden Abend zündet der Vater eine von acht Kerzen an.«
    »Das ist aber hübsch. Solche haben mein Erster und ich mal auf dem Flohmarkt verkauft«, erinnert sich Lenchen und denkt an Räucherstäbchen, Wasserpfeifen und den anderen Krimskrams, lief zeitweise besser als das Büdchen.
    »Der ist nicht vom Flohmarkt, sondern von Krahwinkels Baustelle«, erläutert Kwiatkowski. »Buddy hat ihn gefunden, in einem versteckten Kellerloch.«
    »Na und?« fragt der Antiquar mißtrauisch.
    Kwiatkowski wendet sich an Rose, die den Kerzenleuchter ganz dicht vor ihre Nase hält. »Das Haus hat mal einem Juden gehört, oder?«
    »Ja, dem ollen Korinthenberg. Vorm Krieg. War ein

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