Kiosk
schönes Geschäft, so was stand aber nicht im Fenster. Nur echtes Bleikristall, geschliffene Weinpokale und eine Vase, die meine Mutter gern gehabt hätte, stand später beim Eierfranz im Buffet, kann mir schon denken, wie der dran gekommen ist. Aber dieser Kerzenleuchter, nee, so was hat der Korinthenberg nicht ausgestellt.«
»Der wird gewußt haben, warum«, sagt Kwiatkowski. Lenchen findet das alles nur merkwürdig. Ist das Ding denn überhaupt was wert? Sie haben damals um die zwanzig Mark für so was genommen. Der Antiquar schweigt abwartend.
»Seit wann gehörte das Haus denn dem Krahwinkel?« fragt Kwiatkowski.
»Was wollen Sie denn mit diesen alten Geschichten?« fragt der Antiquar frostig.
»Ich war im Stadtarchiv. Auf dem Kattenbug gab es damals eine Menge jüdischer Hausbesitzer und heute keinen mehr.«
»Da müssen Sie doch nicht für ins Stadtarchiv«, sagt die Quittländer und schüttelt fast erbost den Kopf. »Das weiß doch jeder.«
»Ich nicht«, sagt Lenchen, um Kwiatkowski die Stange zu halten. Wer weiß, was noch kommt. »Richtige Juden haben da gewohnt?«
Gab’s auch falsche? denkt Kwiatkowski, sagt aber nichts. Er fixiert Rose, die es sich bequem macht auf ihrem Stuhl. Endlich fragt sie mal einer was.
»Die meisten von den Häusern hat der Krahwinkel gekauft, als die Juden wegmußten. Der war doch beim Finanzamt. Hohes Tier, der wußte, was los war. Echte Schnäppchen, sag ich Ihnen. Hat immer gewartet, bis der Kram fast nix mehr wert war. Die hatten ja nur noch Schulden zum Schluß, und die meisten haben den Juden nicht mal mehr die Miete gezahlt. Mußte man ja nicht. Der Eierfranz zum Beispiel hat die Pacht für sein Geschäft einbehalten, war ja erlaubt.«
»Schulden?« fragt Lenchen. »Die Juden waren doch so reich, denk ich? Ist das da nicht Gold?«
Rose Quittländer erzählt unbeirrt weiter.
»Damit ihm keiner draufkommt, hat der Krahwinkel manchmal andere vorgeschickt, vor allem bei den Versteigerungen von den Grundstücken. Mehrere gleichzeitig hat er geschickt, damit sie den Preis klein halten konnten. Unsereins hat ja höchstens ein wenig Bettwäsche von den Ausgewanderten mitnehmen können, aber der Krahwinkel hat immer richtig zugelangt.«
War immer schon clever, muß man ihm lassen. Während die Ungenierten in der Kristallnacht auf dem Kattenbug mit Handschaufeln in den eingeschlagenen Schaufenstern nach Beute angelten, saß Krahwinkel immer nur ruhig in seiner Schreibstube und hat die Akten studiert, der wußte auf Heller und Pfennig genau, wie es mit den Juden vom Kattenbug bergab ging. Lange vor achtunddreißig.
»Aber der Korinthenberg war zäh. Der war wirklich zäh.« Sie schüttelt den Kopf. »Dem konnten sie noch so oft das Schaufenster anmalen, der ist geblieben, hat immer gesagt: Hier bin ich der Kaufmann Korinthenberg, woanders nur der Jüdd Korinthenberg, wie die vom Griechenmarkt.«
Na und die vom Griechenmarkt sahen aber wirklich jüdisch aus, lauter abenteuerliche Gestalten im Kaftan und mit Schläfenlöckchen, verrufenes Viertel, konnte einem angst und bange bei werden. »Das war finster«, sagt sie nachdrücklich und ganz in Gedanken.
»Was?« fragt Kwiatkowski.
Rose weiß nicht weiter. »Wir haben das damals alles nicht so genau mitgekriegt«, sagt sie. »Was alles?«
»Mit dem Korinthenberg«, sagt Rose und schaut auf. »Nach der Kristallnacht war er erst mal weg. Ist dann noch mal wiedergekommen. Weiß kein Mensch, wo der war.«
Der Antiquar richtet sich auf, läßt entschlossen die Arme sinken. »In Dachau war er, einer von den sogenannten Novemberjuden. Die haben sie in der Kristallnacht verhaftet, aber ein paar Monate später laufen lassen. Gegen Geld, versteht sich. Lauter wohlhabende Kölner. Vierhundert. Der Korinthenberg war dabei.«
Rose Quittländer verzieht vorwurfsvoll den Mund. »Woher willst du das denn wissen, Hans-Karl, du warst doch noch so klein.« Sie hält die Hand auf Tischkantenhöhe.
»Das kann man nachlesen«, sagt der Antiquar trocken.
»Na, danke, das muß ich nicht«, antwortet die Quittländer trotzig. »Ich hab die Zeit mitgemacht, langt ja wohl.«
»Über den Korinthenberg steht alles in den Akten zum Krahwinkel-Prozeß.«
Kwiatkowski horcht auf. Der Wirt bringt Kölsch, die Quittländer will auch eins und einen Doornkaat, soll der Kwiatkowski mal was springen lassen, ist ja nicht gerade ein Vergnügen hier, immer diese alten Geschichten.
Kwiatkowski greift das Gespräch wieder auf. »Der Korinthenberg ist
Weitere Kostenlose Bücher