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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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also nach achtunddreißig noch mal zurückgekommen. Und dann?«
    »Na, was wohl?« fragt der Antiquar mit bitterem Spott. »Nachdem er die Sühneleistung von zwanzig Prozent dafür gezahlt hat, daß sie ihm alles zerschlagen haben, war er endgültig pleite. Sein Laden war längst in arischer Hand, die Geschäftsführer zahlten keine Miete, die Steuer kriegte den Rest. Der Krahwinkel hat bis zuletzt gewartet und zugelangt, bevor’s zur Enteignung kam. Drei Häuser auf einen Schlag. Das übliche Verfahren aus ›rassischen Gründen‹, hat alles gekauft, weit unterm Einheitswert. Dem Korinthenberg blieb eben genug für die Reichsfluchtsteuer und alles, was dranhing, wenn einer noch wegwollte und Bares hatte.«
    Lenchen schüttelt den Kopf, also so was, unvorstellbar.
    »Der mußte sogar für einen Bescheid zahlen, daß keine Hundesteuer mehr anhängig war, dabei hat er nie einen Hund gehabt. Zwölf Reichsmark hat ihn der Wisch allein gekostet. Steht genau in den Akten, haben alles abgeheftet.«
    »Ja, der Steuer entkommste nicht«, weiß Lenchen. »Die finden alles raus.«
    »Was sind das für Akten?« will Kwiatkowski wissen.
    »Die von der ersten Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Köln. Der Korinthenberg hat Mitte der Fünfziger von Amerika aus geklagt.«
    »Ach, dann hat er überlebt? Das freut mich aber, ich dachte, die wären alle umgekommen.« Lenchen freut sich wirklich und will endlich einen Rotwein. »Hallo, Herr Wirt.«
    Kwiatkowski schaut von ihr weg. »Es gab also einen Prozeß?«
    Der Antiquar zieht hörbar Luft durch die Nase ein. Rose interessiert sich nicht für Prozesse und schaut sich die Männer in den schönen Matrosenanzügen an, die in Mannschaftsstärke auf dem Deck der Fregatte Braunschweig angetreten sind. Stramme Jungs, sehr hübsche Kerle dabei. Die jungen Leute vergessen immer, daß die Menschen früher auch jung waren und hübsch und Flausen im Kopf hatten. Lenchen geht nach vorne zum Wirt.
    »Es gab damals ein paar Prozesse«, sagt der Antiquar. Bei dem vom Krahwinkel ist er selbst gewesen. Mit Jakob.
    »Der kriegt’s jetzt dicke, paß mal auf«, hat Jakob geraunt. »Damit kommt der nicht einfach so weg. Junge, Junge, von wegen wir haben nach dem Krieg alle mit vierzig Mark angefangen.« Jakob, der Schwätzer.
    »Und wie ging’s aus?« will Kwiatkowski wissen.
    »Der Krahwinkel konnte einen Wisch vorlegen. Der Korinthenberg hatte ihm darauf im Januar 1939 unterschrieben, daß er ohne Zwang und aus freiem Willen verkauft hätte. Das war’s.«
    »Das war’s?«
    Fast. Der Jakob war von dem Prozeß so enttäuscht, daß er von Politik und »all dem Kram« nichts mehr wissen wollte. Wenn der Antiquar ihn später mitnehmen wollte zu den Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze oder die Augstein-Verhaftung, hat der Jakob nur noch abgewinkt. »Bringt ja doch nix, und außerdem regnet’s.«
    »Will hier noch einer Bier?« schreit der Wirt von der Theke herüber. Nur quasseln, nix trinken, aber das ganze Hinterzimmer reservieren, so was hat er gern.
    »Das war’s mit dem Krahwinkelprozeß?« fragt Kwiatkowski noch einmal.
    Der Antiquar beugt sich vor, die Arme vor der Brust verschränkt: »In der Urteilsbegründung hieß es noch, daß es für die beim Novemberpogrom im Geschäft entstandenen Schäden und das geplünderte Warenlager kein Recht auf Rückerstattung gäbe, weil die SS-Horden dem Deutschen Reich keinen Besitz verschafft hätten. Und jetzt können Sie Ihren albernen Leuchter wegpacken. Es sei denn, Sie wollen dem jungen Krahwinkel damit eins überziehen, was ich begrüßen würde.«
    Lenchen setzt sich mit einem Glas Rotwein wieder an den Tisch. »Ich würd nur gerne wissen, was hat das alles mit dem Kiosk zu tun? Der hat immer Jakobs Familie gehört, das weiß ich.«
    Keiner beachtet sie. Rose Quittländer geht die ganze Zeit ein Schlaflied durch den Kopf, wahrscheinlich weil sie müde ist vom Schnaps. »Schlaf, Kindchen, schlaf, die Mutter hüt die Schaf, der Vater ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Schlaf, Kindchen, schlaf.« Sie schließt kurz die Augen.
    »Sie wollen dem Krahwinkel wohl nicht auf die Schuhspitzen pinkeln?« fragt Kwiatkowski den Antiquar.
    »Sie sind ein Idiot. Mit einem Chanukkaleuchter können Sie dem Krahwinkel nicht kommen. Das Grundstück gehört ihm, das ist amtlich. Wahrscheinlich samt Leuchter, passen Sie mal auf, daß Sie keinen Prozeß an den Hals kriegen.«
    »Irgendwann muß ja auch mal Schluß sein«, findet Rose Quittländer

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