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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Griechenmarkt, Schnitzel essen. Filous Futter hat Nikita auch dabei, sogar an den Büchsenöffner hat sie gedacht.
    Als sie trödelnd den gegenüberliegenden Bahnsteig erreicht, fährt gerade die Gegenbahn ein, der Zugfahrer auf der anderen Seite sieht nicht, wie der Mann mit dem Baby vorm Bauch einsteigt. Auch nicht, daß Nikita die Stufen hinabsteigt, ganz schnell über die Fahrbahn läuft und in dem Waldstück verschwindet. Wald ist schon ganz richtig. Ihr Vater ist in der Nähe von einem Wald begraben. Jetzt muß sie nur noch die Kirche finden, die mit dem schrägen, grünen Dach und dem kahlen Turm, wo oben eine einzelne Glocke drinhängt.
    Filou freut sich über seine erste Begegnung mit dem Wald. Das riecht, lauter interessante Neuigkeiten. Er zerrt an der lästigen Leine. Nikita lenkt ihn von den Neuigkeiten ab, weil sie ein Gespräch anfängt, sie plappert ohne Unterlaß.
    »Das kann nicht weit sein.« »So sehen die Bäume da auch aus.« »Wenn wir ankommen, kriegst du was zu fressen, Filou. Lauf schneller.« »Guck mal ein Eichhörnchen, ach nee, doch nicht, ist nur ein Ast.«
    Im Wald wird es schneller dunkel als draußen. Nikita biegt auf einen Fahrweg ein, der grau leuchtet. Ihr tun bald die Füße weh, sie setzt sich auf einen umgefallenen Baumstamm gegenüber einer kleinen Lichtung und öffnet Filous Büchse. »Ist nicht mehr weit«, verspricht sie dem Hund. Sein Schlappen und Schlecken beruhigt sie, läuft doch prima bis hierhin.
    Sie schaut sich um, rechts in der Ferne sieht sie das gelbe Licht von Straßenlaternen. »Da gehen wir gleich hin, wenn du fertig bist. Da können wir mehr sehen.« Das Geräusch eines Automotors läßt sie aufhorchen, am Ende des Weges blenden Scheinwerfer auf.
    Der Antiquar ist gegangen. Keiner sagt was – was soll man zu so was auch sagen? Rose Quittländer denkt an einen Vers aus dem Buch Hesekiel: »Unsere Väter haben saure Trauben gegessen, und uns sind die Zähne davon stumpf geworden.« Abends schaut sie immer noch mal in die Bibel, bevor sie das Gebiß ins Wasserglas mit Natronpulver legt. Kukident ist viel zu teuer.
    Daß der Hans-Karl das nicht gewußt haben will mit dem Schäng und der Anzeige, also wirklich. Sein Vater war erst spät in die Partei eingetreten, so Spätberufene waren mit die Schlimmsten, wollten immer beweisen, wie treu sie doch zur Sache standen, haben alles ganz gründlich gemacht. Ist nur noch in Uniform in die Schule marschiert.
    Die Kinder hat er dann sogar gegen Gott aufgebracht und behauptet, wenn Gott die Welt erschaffen hätte, wüchsen die Motorräder doch wohl auf den Bäumen. Erstaunlich, wie dumm gebildete Menschen sein können. Und gebildet war er, Goethe, Schiller, Wagner, der ganze Sums. Sein Haus war voller Bücher, und als es dreiundvierzig einen schweren Treffer hatte, Stabbrandbomben und Gummiphosphor im Dachgeschoß, mußten alle mitanfassen, Bücher retten, sogar solche, die schon dreiunddreißig hätten verbrannt werden müssen.
    Der Antiquar hat viele davon noch in seinem Laden gehabt, mit angekokelten Ecken, die Ex libris mit den Hakenkreuzen hat er rausgelöst. Rose Quittländer hat das direkt erkannt, als sie mal in seinem Laden war. Eine ganze Goethe-Ausgabe mit beschädigten Deckblättchen. Der Hans-Karl muß das mit seinem Vater doch gewußt haben. Also wirklich.
    Sie schweigen, bis der Journalist auftaucht. Kwiatkowski erklärt ihm dürr, was er weiß. Der junge Mann schreibt emsig, aber lustlos mit. Krahwinkels braune Vergangenheit, er glaubt kaum, daß das jemanden interessiert, ist doch viel zu lange her. Ewig der alte Betroffenheitsscheiß, als wäre nicht genug los auf der Welt.
    Und der Leuchter, was soll der schon wert sein? Messing vergoldet, eine Kiste römische Münzen müßtens schon sein, um in der Zeile als Schatz durchzugehen.
    »Sie sind also Künstler«, unterbricht er Kwiatkowski. Der nickt und will mit dem Krahwinkel-Prozeß in den Fünfzigern weitermachen. Der junge Mann notiert sich am Rand, Kultur nach Kwiatkowski fragen. Irgendwie kommt ihm der Name schon bekannt vor. Kultur ist zwar nicht sein Ding, aber Namen sind immer gut. Und als es auf das Thema Kiosk kommt, darauf, daß es den zu retten gilt, formuliert er im Kopf begeistert rührende Zeilen:
    »Unser Kiosk darf nicht sterben«.
    Unterzeile: »Der ganze Kattenbug kämpft für Kölns fröhlichstes Büdchen.«
    Könnte was geben, schöne Anschlußgeschichte, den Kiosk hat er ja sozusagen für seine Zeitung entdeckt und groß gemacht.

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