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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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noch, daß das kein Bild ist. Dieser schlechtgelaunte Künstler reißt das Motiv nicht heraus. Der Journalist sieht selbst, daß Kwiatkowski schlechte Laune hat. Mit überdrehter Freundlichkeit treibt er die Alte, den Penner, den Antiquar, den Künstler und Lenchen, die an ihrem Sweatshirt herumzerrt, auf den Bürgersteig vor dem Kiosk zusammen. Dem Dachdecker drückt er den Leuchter in die Hand, der stellt sich selbstverständlich in die Mitte.
    »Das Licht stimmt nicht«, mäkelt der Fotograf, »haben alle Schatten im Gesicht.«
    »Drück endlich ab«, sagt der Journalist und lächelt die Gruppe vor dem Kiosk entschuldigend an. Ein Aufmacherfoto wird das wirklich nicht, aber vielleicht kriegt er es wenigstens auf der vorletzten Seite noch unter, quadratisch, schwarzweiß, dazu ein zweispaltiger Aufsetzer am Ende der Seite. Hauptsache, sein Name steht drüber. »Unser Kiosk darf nicht sterben.« Kwiatkowski könnte wenigstens in die Kamera schauen und den Zettel aus der Hand legen.
    Der Fotograf zieht seine Nummer ab. Ihm doch egal, wenn das ein Scheißbild wird, er gibt sich immer ganz. Laute Stimme, gebrüllte Freundlichkeit, Zuckerbrot und Peitsche. »Ja, bißchen mehr zu mir. Schön, den Leuchter bitte aus dem Gesicht. Ja, sooo ist gut. Lächeln.«
    »Nein, kein Lächeln«, unterbricht der Journalist.
    Was unnötig ist, denn einzig Lenchen verzieht schief den Mund, was aber mehr nach Elend als nach Freude aussieht. »Hallo, Sie, können Sie bitte einen Moment warten? Ich mache hier ein Bild.« Der Fotograf macht eine ungeduldige Kopfbewegung in Richtung Buddy. Der kommt von links mit der Schubkarre gelaufen. Frühstück holen. Eine Kiste Bier und zwanzigmal belegte Brötchen.
    Lena löst sich aus der Gruppe, geht zurück in den Kiosk. Das Geschäft geht vor. Buddy stellt die Schubkarre ab, die Griffe knallen aufs Pflaster. Er schleicht zum Dachdecker und will nach dem Leuchter greifen. Der reißt ihn zur Seite und sagt streng: »Geh aus dem Bild, Mann, das ist nichts für dich.« Buddy zieht die Hand zurück, fährt langsam damit in den Latz seines Blaumanns. Er zieht seinen Zauberstab hervor, vielleicht ist der mächtiger als der Glanz, oder beides gehört zusammen.
    Der stille Antiquar schaut auf. »Mein Gott«, sagt er, »hast du das auch auf dem Grundstück gefunden?« Buddy ist glücklich, der Antiquar spricht mit ihm. Mit dem Zauberstab geht er zu ihm hin, streckt die Hand vor. »Wa da? Wa da?« fragt er.
    Der Fotograf knipst und flucht leise in sich hinein. Dann läßt er die Kamera sinken. »Das wär’s dann wohl, danke. Haben Sie prima gemacht.« Der Journalist will wissen, was der Antiquar in der Hand hält.
    »Einen Thorazeiger«, sagt der versonnen und streicht sanft über den silbernen Schaft, tippt ganz vorsichtig den ausgestreckten, fein geformten Finger an, der gemacht ist, um das Heiligste zu berühren, die wörtliche Offenbarung Gottes.
    »Ist ja interessant«, bemerkt der Journalist verbindlich, wechselt den Ton und weist seinen Kollegen mit rüdem Flüstern an. »Mach noch paar Bilder. Farbe.«
    »Is Verschwendung«, zischt der Kollege zurück.
    »Mach schon.«
    Rose muß sich auf die Zunge beißen, um nicht loszuplatzen. Dabei will sie wirklich wissen, wieviel das wohl wert ist und wer so was brauchen kann, erinnert sie ein bißchen an die Rückenkratzer aus Bambus, die es früher auf dem Rummel gab.
    Lenchen will das auch alles wissen, nur Kwiatkowski ist in Gedanken woanders, der Antiquar murmelt was von heiligem Kultgegenstand, der Dachdecker flucht über die Verschlagenheit seines Kumpels, Buddy ist einfach nur froh, daß der Antiquar wieder mit ihm spricht.
    »Noch mal alle hinstellen«, bittet der Fotograf. »Könnten Sie den Dings, diesen Silberfinger hochhalten? Sehr schön.«
    »Kwiatkowski«, wendet sich der Antiquar an den Künstler. »Sie hatten vielleicht recht, das könnte was geben. Dieses Stück ist mindestens zweihundert Jahre alt. Die Jüdische Gemeinde wird sich dafür interessieren.« Der Journalist macht Notizen.
    »Hallo, Fräulein, he, Sie mein ich«, brüllt der Fotograf nach links. Seine Stimme verrät Entdeckerfreude. »Kommen Sie mal mit aufs Bild? Wir brauchen hier noch was Hübsches, jemand wie Sie, zur Abrundung. Sie gehören doch sicher dazu.«
    Kwiatkowski reißt den Kopf herum.

14
    E s riecht nach Sandstein und kalten Blumen. Nikita wacht auf, als die Glocke im Turm sieben Uhr läutet. Filou stimmt bellend ein. Das Mädchen hat sich in einer Nische der

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