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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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wenn sie um Meisterschaften geboxt hatte, hatte sie oft solch verworrene Träume gehabt, vor allem wenn es um schwere Gegnerinnen ging. Sie war daher darauf trainiert, solche Alpträume in Minutenschnelle abzuschütteln.
    Selbstverständlich fielen ihr im wachen Zustand die Namen sofort wieder ein – Mehmet Wandra, Felix Breitenberg –, und selbstverständlich konnte sie den Text der Botschaft auswendig hersagen. Das tat sie im Flüsterton, um Odilo nicht zu wecken, der neben ihr im Bett schlief, fest wie ein Stein. Mehr noch als gestern, bevor sie eingeschlafen war, wurde sie sich der Gefahr bewusst, in der sie und Odilo schwebten. Und des Mutes, den es bedurfte, um sich zu behaupten.
    Draußen spazierte die Sonne über die hintere Veranda und erreichte den Hund, der dort schlief. Heidis Brauner, dachte Fritzi. Der, der Theas Fuß angeknabbert hat. Als die Sonne in seine Augen schien, blinzelte der Braune, stand auf und verzog sich.
    Die Botschaft auf dem Stück Papier, das die Spusi zurzeit untersuchte, konnte sie auswendig hersagen.
    Hört auf, hinter Thea herzuschnüfeln!!! Last die Finger weg. Sons pasiert noch ein Unglück!!!
    Nach erster Beurteilung handelte es sich um handelsübliches Druckpapier, Format DIN A 4, geschrieben auf einem handelsüblichen Rechner, mit Hilfe eines Lineals oder eines ähnlichen Gegenstands oben und unten abgetrennt, sodass nur etwas mehr als die zwei Zeilen Text übrig geblieben waren.
    Sie hatten zusammen überlegt, Campari und sie. Waren die Rechtschreibfehler echt oder waren sie getürkt, um die Ermittler in die Irre zu leiten? Konnte man das Papier identifizieren, und gab es womöglich Fingerabdrücke? War man in der Lage, den Rechner, auf dem die Botschaft geschrieben worden war, zu ermitteln?
    Doch dafür gab es die Experten.
    Im Moment war sie überglücklich, ihren Sohn wiederzuhaben. Zärtlich rollte sie zur Seite und umarmte ihn, ohne ihn zu wecken.
    Nur – damit war es nicht getan. Sie mussten den Täter oder die Täterin finden – oder waren es gar mehrere? Gerieten sie und Odilo dann tatsächlich Gefahr? Es war nicht abzusehen.
    Es versprach ein weiterer sonniger Tag zu werden. Während Odilo sich wie ein müder Hund zusammengekringelt hatte und weiterschlief, sprang seine Mutter aus dem Bett und erledigte rasch hintereinander eine Reihe von Dingen.
    Sie ging ins Badezimmer und putzte sich die Zähne, nachdem sie in der Küche den Wasserkocher für den Tee gefüllt und eingeschaltet hatte. Sie eilte zurück ins Schlafzimmer, öffnete den Schrank und nahm verschiedene Kleidungsstücke heraus, von denen sie meinte, dass sie dem heutigen Tag und Odilo angemessen seien und den überstandenen Schreck mildern würden. Dann fragte sie sich, ob sie zuerst Campari anrufen oder Odilo wecken und mit ihm frühstücken sollte. Auf keinen Fall würde sie je wieder ihren Sohn in Margots Obhut geben. Sie überlegte, wie sie am besten vorgehen würde, um von Odilo die Einzelheiten seiner Entführung zu erfahren.
    Der Wasserkocher schrillte. Also eilte sie in die Küche und goss den Tee auf. Für Odilo einen Teelöffel Kaba mit heißer Milch. Zurück im Schlafzimmer entschied sie sich für eine Jeans und ein ärmelloses T-Shirt. Nicht allzu ärmellos wegen des Journalisten. Sie erschrak. Der Tee. Also rannte sie um drei Ecken in die Küche und nahm den Teebeutel heraus. Machte sich die erste Tasse des Tages. Dabei fiel ihr ein, dass sie die Dusche angedreht hatte, damit das Wasser ordentlich heiß war, wenn sie sich gemeinsam mit Odilo darunterstellen würde.
    Der Dampf empfing sie schon im kleinen Flur. Sie drehte den Hahn zu. Doch dann kam ihr wieder in den Sinn, dass Odilo noch schlief. Nach dem schrecklichen Erlebnis sollte er das auch. Kein Teufel der Welt sollte Odilo von seinem Erholungsschlaf abhalten.
    Drei Minuten später stand sie unter der Dusche, rieb sich mit Duschöl ein und drehte das Heißwasser voll auf. Der Dampf begann zu duften. Sie stopfte ihr Haar unter eine Duschhaube, rieb sich Feuchtigkeitscreme ins Gesicht und wischte das Zeug mit einem Tuch wieder ab. Was sollte sie Odilo fragen? Wie er in den Wald gekommen war? Bruchstückhaft hatte er etwas von dem erzählt, was die Erwachsenen Entführung nennen. Wie war er aus Camparis Haus in den Wald gekommen? Was hatte sich ereignet? War er dazwischen irgendwo anders gewesen, sozusagen »zwischengelagert«? Hatte er jemanden erkennen können? Fritzi räkelte sich unter dem Strahl des kochend heißen Wassers.

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