Kirchwies
Fuchssteig hinauf, die anderen bogen in den Feldweg ein, der zum Bauer Benedikt führte. Camparis Gruppe mit Fritzi und Margot folgte dem Reiterweg, der den Feldbach kreuzte.
»Odilo! Oooodiloooo!«
Schaurig und gespenstisch klangen die Rufe durch den nächtlichen Wald. Zwischen Hoffen und Bangen war Fritzi den Tränen nahe. Kalte Schauer rannten ihr den Rücken hinunter.
Ein Fuchs kreuzte ihren Weg. Seine Augen leuchteten wie grün glühende Kohle. Dann ging er gemächlich weiter.
Ihre Fackel hatte Fritzi zunächst weit vor sich gehalten. Nun streckte sie die Leuchte seitlich von sich, um nicht geblendet zu werden. Die Baumstämme glitzerten in ihrem Schein. Der feuchte Boden verbreitete einen intensiven Pilzgeruch.
Sie liefen nun auf einem Pfad im Inneren des Waldes. Tief drinnen befand sich eine kleine Anhöhe. Sie entschlossen sich, die Anhöhe zu besteigen, weil das eine Abkürzung bedeutete, und wichen vom Pfad ab.
»Odilo! Oooodiloooo!«
Fast hatte Fritzi die Hoffnung schon aufgegeben, als Campari plötzlich die Hand hob und stehen blieb. Die anderen rückten zu ihm auf. Im Schein seiner Stirnlampe hatte er etwas entdeckt.
Zuerst begriff Fritzi nicht, was sie sah. Sie stand wie angewurzelt. Sie atmete schwer und fühlte, wie extreme Angst über sie herfiel. Campari blickte hastig um sich. Seine Stirnlampe warf ihr Licht über Bäume und Büsche.
Dann realisierte Fritzi, was er entdeckt hatte.
Da war Odilo! Acht oder zehn Meter vor ihnen.
Jemand richtete einen starken Scheinwerfer auf ihn.
Fritzi schrie laut auf.
Sein winziger Körper war an einen Baum gefesselt.
Er hatte eine Binde um die Augen, der Kopf hing nach unten.
Schreiend und mit ausgestreckten Armen rannte Fritzi auf den reglosen Körper zu.
Zuerst hatten sie Odilo befreit. Dabei waren sie auf den Zettel mit der Nachricht gestoßen.
Campari sandte sofort eine SMS an Bruni. Er wusste, dessen Handy war vierundzwanzig Stunden empfangsbereit.
Hallo Bruni, bitte kommt sofort in der Früh hier raus. Ein Kind wurde entführt, wir haben es wiedergefunden. Entführung könnte mit dem Brommel-Mord zusammenzuhängen. Schlechte Nachricht: Ihr müsst die Gegend abgrasen. Gute Nachricht: Landschaft schön, Wetter gut. Und ihr müsst einen Zettel analysieren. Servus.
Morgen würden sie Gewissheit haben.
zehn
In dieser Nacht hatte Fritzi Gernot einen Traum.
Campari war riesig und dick wie ein Monster und trieb sie in der Nacht mit einem Knüppel durch den Wald. Thea schaute hinter dem einen Baum hervor, Odilo hinter dem anderen. Und das immer und immer wieder, je länger die wilde Jagd dauerte. Immer wieder hinter einem anderen Baum.
Plötzlich war Campari verschwunden, und sie selbst wurde vom Menschengewimmel im selben Wald verschluckt. Mit ihr waren auch Thea und Odilo weg. Dafür tauchte der Tätowierte aus dem Dorf auf, dessen Name ihr nicht einfiel, sosehr sie sich auch zu erinnern versuchte. Er hielt ein Plakat vor sich, auf dem ein Text stand, den sie aber nicht lesen konnte. Die Schrift war zu klein, und als sie näher heranging, schwenkte der Tätowierte das Plakat nach oben weg.
Fritzi wusste im Traum, dass es nur ein Traum war. Sie verstand aber auch, dass es mit dem Plakat etwas Besonderes auf sich hatte, und wollte den Text unbedingt lesen.
Als der Mann sich umdrehte und weglief, merkte sie, dass er den gleichen Text auf seinen nackten Rücken tätowiert hatte. Wieder wollte sie ihn lesen und rannte ihm blindlings hinterher, als er wegzulaufen begann.
Sie kamen an den Hofplatz des Hauses, in dem Anton Scheiberl wohnte.
Odilo lag angekettet vor einer Hundehütte. Das wunderte sie zwar, doch es scherte sie nicht im Geringsten. Sie lächelte dem Jungen nicht einmal zu, als sie dem Tätowierten durch die offene Tür ans Haus folgte.
Von der Rückseite des Hauses her glaubte sie Geräusche zu hören. Sie eilte um die Giebelseite herum. Da waren ein weiterer Kartoffelacker, Johannisbeersträucher und blühende Bäume. Sie wunderte sich über den Acker und wo der Tätowierte mit dem Text geblieben war, wurde aber von einem Mann in Stiefeln abgelenkt, der Äste von einem gefällten Baum absägte. Als er Fritzi bemerkte, hörte er sofort auf, drehte sich um und reckte sich. Es war der Journalist.
Der Journalist – auch sein Name fiel ihr nicht ein – lächelte und kam auf sie zu. Da merkte sie, dass sein Lächeln kein Lächeln war, sondern dass er die Zähne fletschte wie ein Tier …
Mit einem Ruck wachte sie auf.
Früher,
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