Kirchwies
fragte er.
»Na, vom Kürmeier«, sagte die Fanny verwundert.
»Und das Brot?«
»Vom Miedl, ist doch klar. Und die Eier sind heute vom Herrn Wang. Warum fragst?«
Timo breitete die leeren Hände aus. Diese Geste war ihm sehr geläufig. Er hatte sie dem segnenden Jesus abgeschaut. Auf einmal grinste er breit. »Wie im allerbesten Hotel. Ach, was sag ich. Weltbesten.«
Dann überlegte er kurz, während er sein drittes weiches Ei salzte. »Sag mal, wie ist eigentlich der Chinese in unser Dorf gekommen? Du kennst dich doch aus in diesen Dingen.«
»Wang Ming? Weiß ich auch nicht recht. Der alte Dorfkramer starb, und der Herr Wang war plötzlich da und stand im Laden.« Die Fanny wischte sich eine Locke aus der Stirn und fuhr sich über den Eiermund. »Ich glaub, das hat noch der Vater vom Campari eingefädelt. Der war damals immer wieder mal zur Sommerfrische in Kirchwies. ›Außenwirtschaftliche Beziehungen‹ nannte er das.«
Beim Namen des Bürgermeisters zuckte der Pater zusammen, als ob er einen Stromschlag bekommen hätte, und warf einen Blick hinauf zum Kruzifix in der Ecke. Grad, dass er sich nicht bekreuzigte, als wär’s Luzifer persönlich.
Die Fanny kannte das und erwähnte deshalb den Namen, so oft es nur ging. »Ja, zuck nur zsamm«, sagte sie überlegen. »Der Campari kauft fleißig beim Herrn Wang ein.«
»Ja, aber ich hab doch gefragt …«
»Nach dem Wang Ming, ich weiß. Also, eines Tages steht der in dem Laden und räumt aus, ein und auf. Es heißt, er soll einmal ein China-Restaurant drin in der Stadt geführt haben. Aber als dann noch vier andere Chinesen zusätzlich aufgemacht haben, ist der Ansturm auf die freien Plätze weniger geworden. Und da hat er sein Restaurant wieder zugemacht, der Herr Wang. Oder sein Lokal übergeben, was weiß ich. Wang ist übrigens der Nachname. Ming ist das, was bei uns der Vorname ist. Ja, und den Rest kennst ja.«
Zack!
»… scheint aber ein gutes Händchen gehabt zu haben mit dem Chinesen. Beim alten Kramer hast du grad mal ein paar Semmeln gekriegt, eine Packung Persil, Wäscheklammern, eine Rohwurst, saure Gurken, Briefumschläge, Schulhefte, Bleistifte. Der Chines hat alles. Vom Tragel Bier über Räucherlachs, Damenschlüpfer, Schweineschnitzel, CD s, Whisky, Tabak bis hin zum kleinen Außenborder und der kompletten Angelausrüstung. Alles, was du brauchst zum Glücklichsein.«
Timo legte die Stirn in Falten. »Whisky, Außenborder. Äh, Alkohol? Führt er auch Bibeln?«
Da musste die Fanny laut lachen. »Ganze Stöße davon. Direkt neben den Playboy-Hefterln. Lauter dicke rote Bibeln. Geh doch selber hin, dann kennst du den Laden.« Sie stützte das Kinn in die Hand. »Für den Campari hat er sogar die Gletscherpris angeschafft.«
Zack!
»Gletscher… was?«
»Na, seinen Schnupftabak halt.«
»Heut Nachmittag«, lenkte Pater Timo ab, »bin ich eingeladen. Brommel, die Basketballerin … Thea, glaub ich, heißt sie.«
»… weiht ihr Haus ein, ich weiß. Sollst du den Segen sprechen?«
Ihr Bruder griff sich an den Hals und lächelte dünn.
Fanny zog eine Schublade auf und suchte etwas.
»Was suchst du?«, fragte er.
»Ach, hier müssen irgendwo noch ein paar Zivilklamotten von dir sein. Musst du immer nur in deiner Dienstkleidung herumlaufen? Wie ein schwarzer Rabe? Wär doch ganz freundlich, dich mal in Jeans und einem Polohemd anzutreffen.«
»So muss ich nie lange überlegen, was ich anziehen soll. Ich bleib dabei«, entschied der Pater.
Es würde ein heißer Tag werden. Nicht der Hauch eines Lüftchens war zu spüren, wenn auch die Luft langsam feuchter wurde. Pater Timo, die zwei obersten Knöpfe der Soutane geöffnet, schwitzte leicht. Er sah seine Schwester nicht direkt an. Es hatte den Anschein, dass er über Büsche und Sträucher hinweg in die Ferne starrte, doch in Wirklichkeit betrachtete er Fanny aus den Augenwinkeln. Er saß leicht abgewandt am Tisch, sodass wegen der offenen Knöpfe seine Brusthaare und die kleinen feuchten Perlen auf seiner Haut zu erkennen waren. Er dachte nach.
»Hast du deinen Lottoschein schon abgegeben?« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft und rümpfte die Nase.
Pater Timo zuckte zusammen. Eine Stück Tomate fiel ihm von der Gabel. Ihm ging etwas anderes durch den Kopf. Etwas völlig anderes als der Lottoschein.
»Würdest du das für mich tun?«, bat er. Durch seinen Kopf jedoch irrte nur ein Gedanke. Die Beichte! Diese Beichte! Manchmal bereitete ihm der Inhalt einer Beichte ein
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