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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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unterdrücken und schaute Campari an. Der plusterte sich auf wie ein beim Balzen erwischter Auerhahn. Er warf die Arme in die Luft und stelzte mit hochrotem Kopf auf den Journalisten zu.
    »Bevor Sie etwas tun oder sagen, Herr Bürgermeister«, warf Felix Breitenberg ein. »Ich hab schon lange um einen Termin mit Ihnen nachgesucht. Bisher hab ich keinen bekommen. Im Übrigen bin ich, wie Sie sicher vermuten werden, ein freier Mann und kann mich aufhalten und bewegen, wo ich will und wann ich will. Ach übrigens …«
    Campari blieb stehen. »Was ist?«, fragte er.
    »Ich soll Ihnen schöne Grüße von Pater Timo ausrichten. Wenn Sie das Geld für den reparaturbedürftigen Glockenturm nicht bald freigeben, soll ich Ihnen sagen, wird er sich an den lieben Gott wenden. Das hat er wörtlich gesagt, und ich soll’s Ihnen genau so wiedergeben.«
    Fritzi lachte Felix offen an. Ihr schien der Mann auf einmal besser zu gefallen als noch am Tag davor.
    »Maaamaaaa, ich muss bieseln. Darf ich in den blöden Bach bieseln?«
    Fritzi holte mit der Hand aus. »Untersteh dich!«
    Wenig späte tönte es aus der Senke, in die der Bub verschwunden war, mit kräftigem Stimmchen herauf: »Eine Ziege und ein Madel ist teurer als eine Kuh im Stadel!«
    Die beiden Mord- und Entführungsermittler und der Bub bestiegen ihre Pferde.
    Brunis Truppe drehte weitere Steine im Feldbach um, und Felix Breitenberg durchforstete den Wald nach Schwammerln, die im Juli noch nicht wuchsen.
    Campari hatte sich kopfschüttelnd beruhigt. Das vorläufige Ermittlungsergebnis hatte ihn etwas besänftigen können.
    Fritzi Gernot war froh, ihren Jungen bei sich zu haben, und Odilo sah triumphierend auf die zwei Reiter hinter sich. Er hatte sich einen Weihnachtswunsch ans Christkind überlegt: eine Nacht am Baum im finstren Wald. Das war obercool gewesen. Der Schreck, den er erlitten hatte, war längst vergessen.
    Hinter ihnen grummelte es halblaut. Hinter und über dem Berg hatte sich eine schwarze Wand zusammengeballt, aus der vereinzelte Blitze zuckten.
    »Sollen wir uns am Sommer laben, müssen wir auch Donner haben«, rief Odilo nach hinten, schwang cowboymäßig einen Arm in der Luft und gab dem Pony die Sporen.
    * * *
    Pater Timo stand auf der Kanzel und predigte. Fanny saß in der letzten Reihe und lauschte der Probepredigt. Sie war seine einzige Zuhörerin. Außer dem Gekreuzigten, der schweigend an der Südwand hing.
    Die Kirche hatte eine phantastische Akustik. Selbst wenn Timo flüsterte – wenn er besonders eindringlich sein wollte –, waren seine Worte noch im hintersten Winkel gut zu verstehen.
    »… und lasst uns beten. Guter Herr Jesus, dieses Dorf wirkt nach außen hin so brav. So blumengeschmückt und herzlich. Doch es gibt Sünder unter uns, von denen wir nichts wissen. Sünder, die nicht davor zurückscheuen, andere in Versuchung zu führen, die Ehe zu brechen, falsch Zeugnis zu reden und die sogar in der eigenen Gemeinde gegen das fünfte Gebot verstoßen: Du sollst nicht töten!«
    Timo sah empört in die Runde. Umkreuzte mit strengem Blick das leere Gestühl im Kirchenschiff und streifte fragend das Kruzifix links neben ihm. Zum Schluss war sein Auge auf Fanny gerichtet, seine Schwester.
    Fanny saß zusammengesunken da, als ob sie schliefe.
    Dann passierte es.
    Mit unglaublichem Getöse stürzte ein Gesteinsbrocken von oben herunter, prallte am Geländer der Empore ab, zertrümmerte die geschnitzte Außenwange der Bank, in der Fanny saß, und schlug Zentimeter neben ihr auf den blanken Boden.
    Timo warf einen überraschten Blick auf den Gekreuzigten. Der Herr Jesus schien für einen kurzen Augenblick die Augen offen zu halten.
    »War das eine Warnung?«, fragte der Pater halblaut. »Und was hat sie zu bedeuten?«
    Die Antwort kam umgehend.
    Hätte seine Schwester nicht erschrocken nach oben geschaut, wäre sie nicht in Panik aufgesprungen, und wäre sie nicht trotz eingeschlafener Beine mühsam zur offenen Tür gehumpelt, wäre sie diesmal zermalmt worden.
    Wie bei einem Erdrutsch nach Starkregen rotierten Gesteinsmassen nach unten, als würde die Hölle mit Lava überquellen. Sie verschütteten den gesamten hinteren Bereich der Kirche. Dort, wo Fanny eben noch gesessen hatte, war der größte Haufen. Es knirschte und staubte und bröckelte weiter. Selbst Pater Timo oben auf der Kanzel verschwand in der Staubwolke.
    Kurz verständigte er sich mit dem Herrn an der Südwand. Als der nickte, eilte Timo die Kanzelstufen hinab, trabte

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