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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Händen bedeckt.
    »Lieber Herr Jesus, ich danke dir. Du hast mich erhört und aus diesem Saulus Campari einen Paulus gemacht. Ich danke dir für deine unendliche Güte.«
    Fanny wusste nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Sich heimlich wieder rausschleichen und ihn allein lassen? Dann würde das Essen kalt. Stehen bleiben? Dann würde sie womöglich wieder eine dieser kleinen Heimlichkeiten aufspüren, die sie so oft mitbekommen hatte, wenn er die Beichte abgenommen hatte. So wie bei dieser Thea Brommel, dieser … Hure.
    Eine Entscheidung erübrigte sich. Die Fanny bekam einen Hustenanfall, der sich gewaschen hatte. Mindestens drei Viertel Kilo Staub, so viel wie das Gewicht des Fleischs vom Dorfkramer, hatte sich in ihrer Lunge verfangen.
    Pater Timo drehte sich hastig um. Als wäre er bei etwas Unrechtem erwischt worden.
    »Essen ist fertig!«, sprach die Fanny halblaut mit gesenktem Kopf. Ihre Worte hallten selbst in der demolierten Kirche wider. Im Umdrehen fragte sie: »Willst a Bier oder a Glas Wein?«
    »Wasser!«
    Sie machte ein hämisches Gesicht. »Will der Mann die Kehl mit Wasser feuchten, gibt es starkes Wetterleuchten.«

vierzehn
    Nachdem Campari die notwenigen Maßnahmen mit der Feuerwehr abgesprochen hatte, war er Gast bei der abendlichen Hochzeitsgesellschaft.
    Er hatte momentan wahrhaft anderes zu tun und im Sinn. Deshalb war er auch nicht dabei gewesen, als schon in der Morgendämmerung die Böller abgeschossen wurden. Doch er hatte nachher in der Früh im Rathaus die standesamtliche Trauung vorgenommen und hätte an der kirchlichen Trauung teilgenommen, wäre das Gotteshaus nicht verschüttet gewesen. Weil er den Hochzeitern trotzdem die Ehre erweisen wollte, setzte er sich abends im Kirchwieser Löchl zu ihnen.
    »Auf a Hoibe oder zwoa«, kündigte er an.
    Martina, die Braut in Weiß, strahlte vor Glück. Sie war eine enge Freundin von Heidi aus deren Zeit als Köchin am Chiemsee. Seitens des Bräutigams waren drei Schafkopffreunde gekommen sowie die nächsten Angehörigen aus der Stadt, die gesamte Bläsergruppe aus der Blaskapelle, in der er die Tuba spielte, sowie ein paar Männer und Frauen aus dem Entenzüchterverein. Die meisten hatten vor, nicht zu übernachten, sondern in derselben Nacht noch heimzufahren. Was bedeutete, dass die Frauen nichts Alkoholisches zu trinken kriegten.
    Die Brauteltern trugen Schwarz und konnten eine gewisse Strenge im Blick nicht verbergen. Schorsch, der Bräutigam, machte eine gute Figur in seinem moosgrünen Loden-Trachtenanzug, den er sonst auch bei anderen Hochzeiten, bei Auftritten am Herbstfest, beim Feilnbacher Apfelmarkt oder beim Leonhardiritt trug. Die diversen Flecken am Wams waren also eine Art Erkennungszeichen. Er ging wie ein Wirt von Tisch zu Tisch, stets am Ende eines Bandes, das straff von Martinas Blick geführt wurde.
    Während sich die Gäste nach der Rinderkraftsuppe am zweiten Gang und einem in Thymianbutter gebratenen Chiemseesaibling gütlich taten, wurden mitten in die Mahlzeit hinein Reden gehalten. Campari wartete, bis alle ihren Fisch abgenagt hatten.
    »… ihr habt es also geschafft, mit eurer Hochzeit fast unseren Kirchturm zum Einstürzen zu bringen. Ich wünsche dem Brautpaar, dass es im zukünftigen Leben von solchen donnernden Erlebnissen verschont bleibt und ihre Ehe nicht verstaubt.«
    Der Bürgermeister durfte die Braut küssen, was ihm sichtlich große Freude bereitete. Gut, dass Margot daheimgeblieben war.
    Als schließlich das Bankett unter den Klängen der »Vier Lustigen Kirchwieser« seinen weiteren Lauf nahm, als die Gäste unter dem Schein hochalpiner Hirschgeweihleuchter müde vor den Resten ihrer altbayerischen Schokobirnentorte und halb leeren Gläser saßen, taute Pauli, der Maler vom Grünsteinsee, auf. Er trat hin und überreichte dem Brautpaar ein Hochzeitsgeschenk. Erst vor wenigen Tagen hatte er mit dem Malen begonnen.
    »Deswegen ist’s noch ned ganz fertig«, sagte er. »Aber des macht ja nix. Hauptsach, man erkennt die Enten.«
    Pauli war ein Freund vom Schorsch. Wobei dem Schorsch verborgen geblieben war, dass seine Martina vor knapp einem halben Jahr für mehrere Tage Gast auf Paulis Hausboot gewesen war.
    Grad, als der Pauli die Sach mit den feinen Schweinsborstenpinselstrichen, der Spachteltechnik, überhaupt mit der ganzen Malweise, dem Licht und der besonderen Leuchtkraft näher erläutern wollte, tat es draußen einen lauten Krach. Einige Gäste waren schon dabei, sich mit Küssen und

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