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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Katzenaugen umgeben. Von hinten sah der Buick relativ unbeschädigt aus. Das Vorderteil aber hatte sich an der Hauswand aufgebäumt, die Motorhaube war zerknittert wie Zigarettenpapier, das Dach war nach innen eingeknickt.
    Das alles nahm Fritzi innerhalb einer Sekunde wahr. Auch, dass der Journalist noch versuchte, die Fahrertür aufzubekommen, dass er ums Auto rannte, um eine andere Öffnung zu finden, dass er, als es sich als vergeblich erwies, die Ankommenden zurückdrängte. Dass er auch sie und den Jungen umschlang und zurück in Richtung Kirche und Dorfwirtschaft brachte, realisierte sie noch, bevor … der dumpfe Knall einer Explosion ertönte, und vor ihren Augen erglühte die Nacht im roten Schein von Flammen.

Dritter Teil

eins
    »Sind Sie da sicher?«, fragte Campari die Rechtsmedizinerin.
    »Absolut.«
    Campari betrachtete das unförmig verkohlte, geschrumpfte, rauchende, stinkende Stück Mensch, das vor ihnen lag, noch einmal.
    Fritzi Gernot hatte sich sehr schnell nach Hause abgesetzt. Odilo war kurz nach dem Crash selbst für seine Mutter unerträglich geworden. Er war unendlich müde. Sie ließ es zu, dass der Journalist sie begleitete.
    Das hatte auch einen Grund. Campari hatte sie angerufen und angedeutet, dass die Rechtsmedizinerin aus München unterwegs war. Er hatte darum gebeten, dass sie, Fritzi, doch bittschön alsbald zum Unfallort zurückkommen möge.
    Ja, hatte sie ihm bestätigt, doch sie müsse zuerst Odilo versorgen.
    Zu Margot hatte sie seit Odilos Entführung jedes Vertrauen verloren. Heidi war bei der Hochzeit ihrer Freundin. Also blieb nur der Mann neben ihr: der Journalist. Sie konnte sich einfach seinen Namen nicht merken. Breitenberg, kramte sie nach einer Weile aus dem Hirnkastl. Felix Breitenberg.
    Sie ging das Risiko ein, ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen. »Bitte nimm doch hier eine Weile Platz. Ich muss Odilo ins Bett bringen.«
    Odilo war todmüde und voll angezogen aufs Bett gefallen. Auf dem Nachttisch brannte die Lampe. Der Bub hatte einen Arm ausgestreckt, der Daumen der anderen Hand steckte in seinem Mund. Als Fritzi die kleinen Schuhe sah, musste sie erleichtert lächeln. Sie standen fein säuberlich nebeneinander unterm Bettchen auf dem Fußboden. Die Strümpfe hatte er hineingestopft.
    Fritzi zog ihn bis auf Unterhemd und Höschen aus. Dann beugte sie sich über ihn und nahm ihn hoch. Seine Augen waren fest geschlossen, der Daumen bewegte sich nicht aus dem Mund. Ihr Sohn fühlte sich warm und weich an. Sie trug ihn ins Badezimmer und brachte ihn irgendwie dazu, noch einmal die Toilette zu benutzen. Auch dabei wachte er kaum auf. Der Kopf kippte zur Seite, der Daumen blieb im Mund. Dann steckte sie ihn ins Bett, deckte ihn liebevoll zu und seufzte tief.
    »Ein lieber Kerl, dein Odilo«, rief ihr der Journalist zu.
    »Felix«, sagte sie in einem Ton, der so nicht beabsichtigt war. Es klang viel zu vertraut, fast zärtlich. Sein Name schwebte in der Luft.
    »Ja«, sagte er ebenso weich.
    An der Schwelle des Kinderzimmers, den Türgriff im Rücken, stand Fritzi dem Journalisten gegenüber und sah ihn an.
    Felix trat zur Seite und an ihr vorbei, löschte das Licht in Odilos Zimmer, schloss die Tür und knipste die Lampe im Flur, der zum Wohnzimmer führte, an. Er folgte ihr ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich auf eine Kante der Couch und sah sie an.
    »Ja«, sagte er noch einmal.
    Kunstvolle Flecken bedeckten die Knie seiner Jeans, und seine Wildlederstiefel waren abgetragen und speckig. Die Dollarnotenhosenträger lugten unter einem abgewetzten Kordsakko hervor. Fritzi fragte sich in diesem Moment, ob er unter Geldmangel litt oder ob er damit das Image der Unabhängigkeit seines Berufszweigs demonstrieren wollte.
    Im Licht sah sie sein Gesicht überdeutlich. Der schwache bläuliche Schatten, der seinen Bartwuchs andeutete, auch wenn er frisch rasiert war. Der minimale weiße Streifen am Haaransatz vor den Ohren – bei welchem Friseur war er gewesen? Er trug keine Brille, und auch die sonst unvermeidliche schwarze Baseballmütze fehlte.
    »Würdest du bitte auf Odilo aufpassen? Ich muss noch mal weg.«
    Er war erfreut.
    Sie tauschten Handynummern, dann schwang sie sich aufs Fahrrad. Es war schon spät.
    Die Luft war sanft und federweich, ein einmaliger Sternenhimmel wölbte sich hoch über ihr, als sie vorsichtig bremsend den Fuchssteig und dann mit Tempo die Straße hinunterfuhr. Alles war ihr so vertraut in diesem Dorf, auch bei Nacht. Sie ließ Heidis Blumenkreisel

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