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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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sich oft stritten, fand er komisch.
    Vor Freude kriegte er rote Ohren, wenn er an Margot dachte. »Sprich nicht mit vollem Mund!«, hatte sie ihn oft ermahnt. Dabei hatte sie, während sie das sagte, selbst einen vollen Mund gehabt.
    Als er in der Grube wieder aufgewacht war, hatte er zuerst ein bisschen geweint. Das Dach über ihm hatte ihm Angst gemacht. Aber das mit der Fessel und den verbundenen Augen, das fand er geil. Am aufregendsten aber war natürlich die Zeit gewesen, als er im dunklen Wald an einen Baum gefesselt gewesen war und von fern die Leute hörte und die Lichter sah, wie sie näher kamen. Schiss hatte er nie gehabt. Er wäre gern noch länger da draußen bei den Tieren im Wald geblieben.
    Seltsam hatte er nur gefunden, dass er nie das Gesicht der Person gesehen hatte. Immer war sie verdeckt gewesen oder hatte sich weggedreht oder so. Gesprochen hatte sie auch nicht. Kein Wort. Ein bisserl hatte sie sich wie die Margot bewegt, und sie hatte auch eine ähnliche Figur gehabt.
    Auf der Terrasse kroch eine kleine Herde Ameisen über seine nackten Beine, und eine Eule grinste ihn von der Dachrinne her mit geöffnetem Schnabel und glühenden Augen an. Ganz in der Nähe quakten Grasfrösche wild durcheinander.
    Odilo lächelte. Wenn er lächelte, leuchteten seine weißen Zähne. Er war stolz auf die weißen Zähne. Er putzte sie in der Früh und am Abend und manchmal sogar, wenn Mama es bemerken sollte, am Mittag nach dem Essen.
    Am meisten wunderte ihn, dass seine Mama ihn und Maxi nun mit dem komischen Typen allein gelassen hatte. Der gefiel ihm genau so wenig wie seine Brillengläser, die aussahen wie ein Halbmond. Der lachte nicht und spielte nicht mit ihm und war überhaupt nicht so wie Margot. Vor Zorn lief Odilos Gesicht scharlachrot an.
    Als er den großen schwarzen Schatten über sich sah, stieß er einen spitzen, schrillen Schrei aus, und sein Herz machte einen Hüpfer.
    »Odilo! Bub! Was tust du hier draußen!«
    Fritzi war durchs Haus gerauscht. Alles war dunkel. Und Odilos Zimmer und Bett waren leer.
    Sie fand ihn auf der Terrasse.
    Doch stärker als die Erleichterung, ihren Sohn wohlbehalten gefunden zu haben, war der Zorn auf den Journalisten. Er lag tief schlafend in seinem Bett im Gästezimmer.
    Der Raum war klein, ziemlich vollgestopft mit alten Möbeln und hatte, so wie es früher üblich war, nur ein einziges Fenster mit Klappladen und ein Waschbecken mit Kaltwasser. Fritzi fühlte sich versucht, dem Mann einen Kübel über den Kopf zu schütten. Sie hatte ihn schon in der Hand, da erschien Klein-Odilo in der Tür, und sie verzichtete darauf. Sie hatte Campari versprochen, zurückzukommen.
    Das Gästezimmer schloss sie von außen ab.
    Zu Odilos großem Vergnügen holte sie den Motorroller aus der Garage. Er durfte hinten aufsitzen. Sein buschiges braunes Haar flog im Fahrtwind.
    Fritzi graute vor dem erneuten Anblick der verkohlten Leiche.

zwei
    »Mama, was sind das für Menschen?«, fragte er, als sie den Roller vor dem Kirchwieser Löchl abstellte. Mit dem Zeigefinger zeigte er auf eine Gruppe Menschen, die vor dem Eingang standen.
    »Das sind keine Menschen, Odilo, das sind Raucher.«
    Wortlos hielt Campari zuerst Odilo eine Schuxn, dann Fritzi sein Handy hin. Sie las den Text der SMS .
    2. Paar Handschuhe mit Blutresten gefunden. Unter einem Stein im Feldbach wie die anderen. Denke, das reicht. Bruni.
    Fritzi schluckte.
    »Der erste wirklich konkrete Hinweis«, meinte Campari. »Bisher konnte jeder im Dorf verdächtig sein. Scheiberl, Wang Ming, der Brunnerbeck, der Uhrmacher, die Heidi, der Journalist, der Benedikt. Auch der tote Wandra könnte es gewesen sein. Meine Frau … und wenn ich ehrlich bin, auch ich. Thea war in viele verliebt. Folglich hatten auch viele ein mögliches Motiv. Beteiligte und Angehörige. Liebe bringt das so mit sich.« Er konnte einen tiefen Seufzer nicht unterdrücken. »Liebe. Die Illusion, dass sich eine Frau von den anderen Frauen unterscheidet.«
    Überraschung spiegelte sich in Fritzis Miene. Sie legte die Stirn in Falten, gab aber keinen Kommentar ab. »Den Pater Timo hast du vergessen und die Fanny.«
    Campari strich sich über den Bauch. »So gern ich den Pater hab«, spottete er. »Für einen Mörder halte ich ihn nicht.«
    Dann griff er zur Schnupftabakdose und genehmigte sich eine Prise. Fritzi hatte er fest im Blick, als er bedächtig inhalierend fortfuhr. Er fuhr ihr sogar übers Haar, was er noch nie gemacht hatte.
    »Ich hab ja lange Zeit

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