Kirmes des Todes
der Zins zum einen seine langjährigen Kumpanen von vornherein zur Kirmes einlud und zugleich aus den Bewerbungen zusätzlichen Schaustellern den Zuschlag erteilte. In den letzten Jahren sei schließlich das Ausschreibungsverfahren immer wichtiger geworden. „Ich konnte zum Schluß unter fast sechshundert Interessenten auswählen. Alle wollten nach Düren, nachdem sich herausgestellt hatte, daß es hier ein gutes Kirmespflaster gibt. Ich habe vielen eine Absage erteilt, aber Kirmes-Schmitz und einigen anderen nie!“
Bahn hatte Zins interessiert zugehört. „Und wie läuft das jetzt ab?“
Zins hob die Arme. „Keine Ahnung, wahrscheinlich gilt jetzt nur noch ein Auswahlverfahren. Ich weiß es nicht, das ist nicht mehr meine Sache. Da kümmern sich jetzt andere drum.“
Bahn spürte die Verbitterung in Zins Worten. Der Kirmesdirektor hätte noch gerne ehrenamtlich hinter den Kulissen mitgemacht und seine guten Beziehungen zum Wohle der Annakirmes spielen lassen.
Zins gab sich gleichgültig. „Was nicht ist, ist nicht.“ Jetzt arbeite er eben an einem Konzept für Koblenz für nächstes Jahr. „Ich hab’ schon ein paar Knüller. Willst du sie sehen?“, fragte er mit glänzenden Augen. Er war schon wieder in seinem Element.
Dankend lehnte Bahn ab. Wenn er Zins jetzt freien Lauf ließe, käme er nicht mehr fort.
„Was willst du denn jetzt machen?“, fragte ihn Zins beim Abschied in der Haustür.
Bahn sah ihn entmutigt an. „Nichts. Kirmes-Schmitz ist tot und keiner weiß, warum er zum Säufer geworden ist. Das ist wohl Schicksal.“
„Ich bin mit meinem Latein am Ende“, bekannte Bahn in der Tageblatt-Redaktion zu Waldhausen. Sie saßen im Chefzimmer und hatten die Beine bequem auf den Schreibtisch gelegt. Plauderstunde bei Fritz hatte das oft vorlaute Fräulein Dagmar diese Art der Redaktionskonferenz genannt. Die beiden anderen Kollegen hatten sich nach der Terminabsprache und dem Verteilen von Reportagen wieder verzogen. Sie wußten und akzeptierten, daß Bahn und Waldhausen gerne miteinander plauderten.
„Du willst aufgeben?“, fragte Waldhausen erstaunt. „Nein, ich will nicht aufgeben, ich muß aufgeben. Ich komme nicht weiter“, antwortete Bahn resigniert. „Das gefällt mir nicht, Helmut. Da muß doch was zu finden sein. Wir müssen woanders ansetzen.“ Waldhausen hatte sich in seinem Sessel zurückgelehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. „Und wo?“
„Wenn ich das nur wüßte.“
Die beiden Journalisten schwiegen sich lange nachdenklich an. Bahn sah, daß Waldhausen wieder seinen starren, konzentrierten Blick bekommen hatte. Jetzt ist er wieder in seiner Gedankenwelt, sagte er sich.
„Wenn ich das wüßte“, wiederholte sich der Lokalchef schließlich. „Du weißt es doch schon“, entgegnete ihm Bahn.
Waldhausen mußte grinsen. „Wenn du meinst.“ Er sah seinen Kollegen an. „Wie wär’s mit einer Arbeitsteilung?“
Bahn war einverstanden. Was hatte er schon zu verlieren? Wenn er abgelehnt hätte, wäre ihm Waldhausen auch nicht gram gewesen. „Okay, machen wir Arbeitsteilung“, willigte er sofort ein. Mit Waldhausen ließ sich gut zusammenarbeiten, wußte Bahn aus der Erfahrung der letzten Monate; trotz dessen oft merkwürdiger Methoden. „Und wie?“
„Ganz einfach. Du sagst mir, was du vorhast. Ich erledige dann die Sache, die du Dösbaddel übersehen hast.“ Bahn war erstaunt: „Was habe ich denn übersehen?“ Sein Chef ließ ihn zappeln. „Bis jetzt nichts, mein Lieber, oder fast nichts.“
Bruder
Nicht ein Angehöriger, keiner der ehemaligen Kollegen oder Weggefährten war gekommen, um endgültig Abschied zu nehmen von Kirmes-Schmitz. Der wird verscharrt wie ein herrenloser Straßenköter, dachte Bahn, der aus der Ferne die Beerdigung des Penners beobachtete. Auf einer Wiese am äußersten Ende des Dürener Zentralfriedhofs hievten Mitarbeiter des städtischen Friedhofsamtes den einfachen Sarg in ein Grab und schoben mit einem kleinen Schaufelbagger das ausgehobene Erdreich zurück. Nach wenigen Minuten war für sie die Arbeit getan. Die nächste Beerdigung wartete schon auf sie.
So schnell bist du weg. Bahn ging versonnen über die Friedensstraße zu seinem Porsche. Er dachte an Meier, der ihn gestern noch angerufen hatte. Der Chef der Dürener Schausteller hatte mit Zins über die Teilnahme am Koblenzer Rummel verhandelt und bei dem Gespräch auch vom Tod des gemeinsamen Freundes erfahren. Er
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