Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kirmes des Todes

Kirmes des Todes

Titel: Kirmes des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
Vom Netzwerk:
Mann, dem allein es zu verdanken war, daß die Annakirmes zu einer der zehn größten in Deutschland geworden war, befand Bahn. Die Schausteller aus nah und fern, die früher zuhauf Zins in Kreuzau besucht und ihn mit Grußkarten von allen Rummelplätzen zugeschüttet hatten, ließen ihn unbeachtet fallen. Die neuen Kirmesbeschicker kannten Zins überhaupt nicht, die altbekannten waren von Jahr zu Jahr weniger geworden.
     
     
    „Manche leben ja auch nicht mehr“, tröstete sich Zins. Er hatte damit Bahn unbeabsichtigt das Stichwort gegeben. „Kirmes-Schmitz ist übrigens auch tot. Er wurde gestern von einem Unbekannten überfahren.“ Bahn setzte sich in einen ältlichen Sessel. „Kanntest du ihn eigentlich gut?“
    „Der arme Kerl“, murmelte Zins, mehr zu sich als zu seinem Besucher. „Der hätte einen anderen Abgang verdient gehabt.“ Zins blickte aus dem Fenster in den Garten. „Da draußen, da haben wir noch zusammengesessen nach der Kirmes vor drei Jahren. Willi, Franz Meier und ich und haben über unsere gemeinsamen Kirmeserlebnisse gesprochen.“ Er erhob sich und ging zu einem Bücherregal. „Ich habe sogar noch ein Bild davon“, meinte er, in den Bücherreihen suchend. Er reichte Bahn ein Fotoalbum.
     
     
    Bahn erkannte Kirmes-Schmitz auf der Fotografie sofort wieder. Ein gut gekleideter, seriöser Mann prostete zufrieden seinen beiden Freunden zu. So hatte Bahn den Toten in Erinnerung. So hätte ich ihn beschrieben, sagte er sich und erschrak über die Veränderung, die Kirmes-Schmitz mitgemacht hatte.
     
     
    „Überfahren, sagst du? Wieso?“, fragte Zins. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Bahn. „Kirmes-Schmitz ist übrigens verdammt tief gesunken“, fuhr er fort. „Er ist als Penner geendet.“ Zins schaute ihn entgeistert an. „Das kann doch nicht wahr sein. Der hatte doch alles, was er wollte und brauchte. Du mußt dich irren, Helmut.“ Kopfschüttelnd zündete er sich eine Zigarette an. „Willi war doch ein gemachter Mann. Sein Geschäft lief blendend. Und selbst ohne das Geschäft hätte er von seinem Ersparten gut leben können.“ Zins konnte es nicht verstehen. „Der lebte zur Miete im Grüngürtel, war bescheiden, zufrieden und hatte Geld wie Heu.“
    „Und doch ist er in der Gosse gelandet.“ Bahn erzählte Zins von seiner Begegnung mit Kirmes-Schmitz in der Fußgängerzone.
     
     
    Zins konnte sich nicht beruhigen. „Ich bin fassungslos. Das kann doch nicht sein.“ Er zog kräftig an seinem Glimmstengel. „Nein, ich weiß nicht, was mit ihm geschehen ist. Ich habe ihn vor drei Jahren das letzte Mal gesehen.“ Er zeigte auf die Fotografie. „Hier, bei mir im Garten, nur ‘ne knappe Woche nach der Kirmes.“
    Vielleicht wisse Meier mehr, meinte der Kirmesdirektor. Nachdem ihn Bahn über dessen Abwesenheit aufgeklärt hatte, kam ihm eine neue Idee. „Kann ja sein, daß mein Nachfolger was gehört hat. Soll ich ihn anrufen?“
    Bahn war überrascht. „Das würdest du tun?“ Er verschwieg bewußt das Gespräch mit Grundmann im Rathaus. „Ja, für meinen alten Freund Kirmes-Schmitz“, antwortete Zins. Mit seinen nikotingefärbten Fingern wählte er seine ehemalige Büronummer.
     
     
    Das Telefonat mit Grundmann war nur kurz. Grundmann ließ Zins sofort spüren, daß er nicht an einem Gespräch mit ihm interessiert war. Und ein Kirmes-Schmitz interessiere ihn überhaupt nicht. Mit dem hätte er keine Verträge gemacht. „Leben Sie wohl, Herr Zins!“, endete er schroff.
    „Helmut, ich bin zu alt für diese Welt“, sagte Zins verschüchtert, als er den Telefonhörer auflegte. „Ich gehöre wohl zu einer aussterbenden Rasse. Wie Kirmes-Schmitz.“
    Nach dem Krieg habe er die Annakirmes in Düren neu aufbauen wollen und händeringend Schausteller gesucht, die mitmachten, erzählte der Kirmesdirektor. Kirmes-Schmitz sei ein Mann der ersten Stunde gewesen. „Mit einer Bierbude fing er an. Zum Schluß hatte er zehn.“ Damals sei das Kirmesgeschäft viel einfacher gewesen. „Ich habe ein paar Leute angerufen und die kamen dann.“ Heute gebe es große Ausschreibungen und Bewerbungen und ein Auswahlverfahren. „Die Konkurrenz ist größer geworden.“ Nach dem Krieg habe man mit einigen Geschäften angefangen, Kirmes-Schmitz, die Fuhrmanns mit dem Imbiß und der Losbude, Holt mit seiner ersten Geisterbahn und noch ein paar andere. „Da hatten wir Platz für zweihundert Schausteller und es kamen gerade einmal zwanzig.“ Dann hatte es eine Zeit gegeben, in

Weitere Kostenlose Bücher