Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kirmes des Todes

Kirmes des Todes

Titel: Kirmes des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
Vom Netzwerk:
entschuldigte sich für sein Fernbleiben und hätte auch gerne einen Kranz geschickt. Aber nach Bahns Aufklärung ließ er davon ab. „Da wachsen so schöne Blumen auf der Wiese, da würde ein Kranz nur stören, Franz.“
    Nein, Meier wußte nicht, warum Kirmes-Schmitz in der Gosse gelandet war. „Der war doch vor drei Jahren so gut drauf, als wir uns das letzte Mal beim Kirmesdirektor getroffen haben“, erinnerte er sich. „Im nächsten Jahr war er dann weg, er machte nicht mehr mit bei der Annakirmes mit seinen Bierbuden. Auch als Losverkäufer war er nicht dabei.“ Bahn spürte am Telefon, wie Meier angestrengt nachdachte. „Der war wie vom Erdboden verschwunden. Ich habe ihn auch nicht auf der Kirmes oder in der Stadt gesehen.“ Er seufzte. „Vielleicht hätte ich mich früher um ihn kümmern sollen“, bedauerte Meier. Er hatte nur irgendwann gehört, daß sich Kirmes-Schmitz aufs Altenteil zurückgezogen hätte. „Aber frage mich nicht, wer mir das gesagt hat, Helmut. Ich weiß es nicht.“
    „Kennst du denn einen seiner ehemaligen Beschäftigten?“ Bahn sah wieder einer Hoffnungsschimmer.
    Doch er wurde enttäuscht. Meier verneinte. „Der Kirmes-Schmitz war einer von der Sorte, die ein Herz für Arbeitslose haben“, erklärte der alte Schausteller. „Der holte sich seine Mitarbeiter jedes Jahr für die Zeit der Annakirmes vom Arbeitsamt und bezahlte ihnen dann einen ordentlichen Lohn. Richtig mit Steuerkarte, Krankenkasse, Rentenversicherung und so. Und er machte dabei immer noch seinen Schnitt.“ Zwangsläufig habe es an den Geschäften von Kirmes-Schmitz fast jedes Jahr neue Gesichter gegeben. „Ich jedenfalls kann dir keinen einzigen Namen nennen.“
     
     
    Bahn hatte sich nach dem Gespräch mit Meier zum Arbeitsamt begeben und mit einem Abteilungsleiter gesprochen, der nebenher gelegentlich auch als freier Mitarbeiter für das Tageblatt tätig war. Doch der Fachmann schüttelte nur den Kopf. „Helmut, das ist drei Jahre her. Die Leute sind längst alle wieder vermittelt oder verzogen. Da müßte ich stundenlang etliche Akten wälzen, um auch nur einen einzigen Namen ausfindig zu machen.“ Auch unter Umgehung des Datenschutzes sei das Anliegen von Bahn ein fast unmögliches Unterfangen. „Helmut, hier kommst du nicht weit“, machte er Bahn keinerlei Hoffnung. Er hatte allerdings auch keine große Lust, nach den Leuten zu suchen. Aber das sagte er Bahn natürlich nicht.
    „Irgendeiner muß doch wissen, was mit Kirmes-Schmitz war.“ Bahn lief aufgeregt in Waldhausens Zimmer umher. „Es ist zum Haare ausraufen. Was soll ich denn noch tun?“
    Sein Chef hatte es sich wieder bequem gemacht. Die Beine hochgelegt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt, wippte er auf seinem Sessel. „Warten, Helmut“, antwortete er gelassen, „einfach nur warten.“
    Bahn schnaubte. „Ich warte an der Ampel bei Rot, aber nicht bei der Arbeit. Es muß doch was zu machen sein.“
    „Ich sage es dir noch einmal: warten.“ Waldhausen redete ruhig weiter. „Es kommt doch jetzt auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Das macht doch deinen Schmitz auch nicht wieder lebendig. Also warten wir.“
    „Und worauf?“
    „Auf die Annakirmes, mein Freund. Da hast du doch die große Auswahl unter etlichen Leuten. Da wird schon einer dabeisein, der dir weiterhelfen kann.“
    „Da kann ich doch gleich die Nadel im Heuhaufen suchen.“ Bahn war ungeduldig. Er fühlte sich fast schon provoziert durch die Gelassenheit seines Chefs. „Und wen soll ich dann da fragen?“
    „Du kommst schon selbst drauf, Helmut“, gab Waldhausen eine ausweichende Antwort. „Warte nur ab.“
     
     
    Er hatte den Lokalteil des Tageblatts zusammengerollt und hielt die Papierrolle zielend hoch. Plötzlich schlug er zu und hatte eine Fliege auf seinem Schreibtisch zerquetscht. „Siehst du, man muß nur den richtigen Augenblick abwarten. Irgendwann kommt der richtige Zeitpunkt.“ Er schmunzelte. „Die Fliege hat mich den ganzen Tag schon geärgert. Und jetzt habe ich sie erwischt.“ Mit einem Typometer schob er die Überreste der Fliege in den Papierkorb.
    Dann blickte er Bahn an. „Vielleicht solltest du auch einmal einen anderen Ansatz für deine Recherche wählen.“ Bahn verstand seinen Chef nicht. „Was meinst du?“ Waldhausen lachte spitzbübisch auf. „Wenn du nicht von alleine darauf kommst, mache ich es selbst. Ich habe dir doch gesagt, daß ich die Sachen mache, die du übersiehst.“ Er legte eine Kunstpause ein.

Weitere Kostenlose Bücher