Kirmes des Todes
Bahn, „aber ich suche weiter.“
„Ich suche mit“, lachte Waldhausen unbekümmert. „Ich klemm’ mich aufs Rad und mache eine Tour de Rur. Vielleicht begegne ich ihm ja.“
Bahn schaute gelöst seinem Chef nach, der die Treppe hinuntersprang. Der war ganz anders als der Vorgänger. Taschen hätte ihn jetzt wieder zynisch abgekanzelt und losgescheucht, Kirmes-Schmitz zu finden. Waldhausen sah die Arbeit zwar sachlich und nüchtern, aber zugleich viel lockerer, ohne dabei unprofessionell zu sein. Das Radfahren war die einzige Macke, die Waldhausen mit Taschen teilte.
Hoffentlich kommt der mir nicht auch noch unter die Räder, sagte sich Bahn.
In der Redaktion war nicht allzuviel zu tun. Kurz vor den Sommerferien gab es nicht mehr viele Termine, die von den Zeitungen zu besuchen waren. Düren sparte und bereitete sich auf den Urlaub und besonders auf die Annakirmes vor. Da blieb im Vorfeld des Kirmestrubels wenig Zeit für die Menschen, sich um andere Dinge zu kümmern.
Bahn griff zum Telefon und wählte seine private Nummer. Niemand nahm ab. Gisela war wohl nicht daheim. Bahn war’s recht. Dann konnte er wenigstens ungestört weiter an der Gestaltung seines Fotolabors arbeiten.
Es war gerade einmal fünfzehn Uhr, als Bahn den Dienst beendete. Fräulein Dagmar würde strickend die Stellung halten und garantiert anrufen, wenn noch etwas Wichtiges passieren sollte.
Das war auch so eine Neuerung gewesen, die Waldhausen eingeführt hatte. „Wir arbeiten abends oft so lange, da können wir es uns auch erlauben, nachmittags zu gehen“, hatte er erklärt mit der Einschränkung, „wenn jeder davon überzeugt ist, daß er den Job an diesem Tag gut gemacht hat.“ Wenn Waldhausen selbst ging, da konnte Bahn sicher sein, dann war die Zeitung für den nächsten Tag gut gemacht.
Bahn war zufrieden mit seinem Tagewerk, er schnappte sich die Pressemappe und seine Lederjacke und ging auf die Straße. Er mußte sich zunächst einmal orientieren, wo er überhaupt seinen Porsche abgestellt hatte. Dann schlenderte er quer über den Marktplatz an der Stadtsparkasse vorbei in Richtung Kaiserplatz. Ziellos blickte Bahn sich um. Er glaubte, Kirmes-Schmitz entdeckt zu haben. Der Typ in dem schweren Lodenmantel bog gerade in die Hirschgasse ein und war in der Menschenmenge verschwunden.
Bahn eilte hinterher. Doch Kirmes-Schmitz war wieder untergetaucht. Bahn stöberte durch die Kneipen auf der Hirschgasse und an der Wirtelstraße. Erfolglos brach der Journalist die Suche ab und ging zum Zeppelin. Aber das Kölsch wollte ihm nicht schmecken. Er ließ das Glas angetrunken auf dem Tresen stehen und fuhr nach Hause.
Schade, dachte er sich, gerne hätte ich noch mit Kirmes-Schmitz gesprochen. Er nahm sich vor, am nächsten Tag die Suche fortzusetzen.
Mitten im Leben
Gisela und Bahn hatten es sich nach dem Abendessen gerade im Wohnzimmer gemütlich gemacht, als das Telefon irgendwo im Haus klingelte.
„Das wäre ja auch ein Wunder, wenn wir mal einen Abend Ruhe hätten“, schimpfte Bahns Freundin, während sich beide auf die Suche nach dem schnurlosen Gerät machten. Es lag unter einem Stapel alter Zeitungen in der Küche, natürlich dort, wo es keiner von beiden hingelegt haben wollte.
Bahn funkelte Gisela böse an, während er sich meldete. Sie zog sich schmollend zurück. Der Anruf war garantiert nicht für sie.
„Hallo, hier ist der liebe Gottfried“, hörte Bahn die säuselnde Stimme von Gottfried Jansen. Sein Informant, der offensichtlich von morgens bis abends den Funk aller öffentlichen Einrichtungen im Dürener Land abhörte, meldete sich wie immer, wenn etwas Ungewöhnliches passiert war. Bahn kannte Jansen zur Genüge. Jansen griff fast nie ohne Grund zum Telefon, er war sein stattliches Informationshonorar allemal wert.
„Es gibt Arbeit für dich, mein lieber Helmut“, säuselte Jansen.
Bahn war hochkonzentriert, als Jansen die Stimmlage änderte und sachlich seine Informationen preisgab: „Verkehrsunfall auf der Rurstraße. Fußgänger überfahren, wahrscheinlich Exitus. Alle sind draußen.“ Wieder wechselte Jansen in die säuselnde Stimmlage. „Mach was Schönes draus, Helmut. Viel Spaß.“
„Ich muß noch mal los“, rief Bahn Gisela zu. Er zog seine Lederjacke über und fingerte nach einem Schwarzweißfilm, während er zu seinem Wagen eilte. Mit einer Hand lenkend, legte er den Film in seine Nikon ein und ließ
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