Kirschenküsse
waren zwar nicht besonders eklig, aber so glitschig und kalt.
Schließlich drängte sich Herr Schreiter, der Kursleiter der Bildhauer, durch die Umstehenden.
»Was ist passiert?«, polterte er, wobei sein kugelrunder Bauch und sein Schnurrbart gleichermaßen ins Wanken gerieten.
»Jemand hat Vanessa einen Frosch in den Kragen gesteckt«, berichtete ein anderes Mädchen.
Wenigstens Herr Schreiter hatte keine Skrupel vor dem quakenden Tier. »Halt still, Mädchen«, sagte er kurzerhand, packte Vanessa an der Schulter und griff in den Kragen ihres T-Shirts. Wenig später förderte er den Frosch zutage und setzte ihn zu Boden.
»Kaum zu glauben, dass man es hier mit beinahe Erwachsenen zu tun hat!«, schimpfte er dann, als er sich wieder aufrichtete. »Solche Scherze sind eher was für die Grundschule und nicht für euch!«
Jaja, immer, wenn die Erwachsenen etwas an uns auszusetzen hatten, machten sie uns älter, als wir waren. Ich fühlte mich jedenfalls noch nicht wie beinahe erwachsen.
Herrn Schreiters weitere Belehrung hörte ich nicht, denn ich hatte in diesem Augenblick nur Augen für den Frosch. Ein eisiger Schauder überlief mich, als ich erkannte, dass er doch eine kapitale Größe hatte.
Zu denen, die sich noch immer köstlich über das Kreischen des Mädchens amüsierten, gehörte natürlich auch Norman. Als ich das mitbekam, wäre ich am liebsten gleich fluchtartig losgerannt, denn nachdem der Froschstreich bei Vanessa so gut geklappt hatte, würde er es vielleicht auch bei mir versuchen.
Doch den Gefallen, schon ohne mir etwas getan zu haben, über mich lachen zu können, wollte ich ihm nicht tun. Ich sprang zwar zur Seite, um ja nicht mit dem vorbeihüpfenden Frosch in Kontakt zu kommen, doch dann kehrte ich unerschrocken an meinen Platz zurück.
»Die Jungs halten jetzt einen Meter Abstand von den Mädchen!«, befahl nun Herr Schreiter, um weitere »Scherze« dieser Art zu vermeiden. Damit sich die Herren auch daran hielten, schritt er mit seinem mächtigen Bauch hinter uns her.
Weiter ging es durch den Park, jetzt am See vorbei, wie ich am Geruch erkennen konnte. Grillenzirpen ertönte, und ich fragte mich, ob die Schwanenfamilie jetzt schlief. Wenn sie aus dem Busch geschossen kam, um uns anzugreifen, würde es lustig werden. Und noch lustiger wäre, wenn die Schwanenmutter Norman erwischen und ihn zwicken würde!
Doch alles blieb ruhig, bis auf die Mücken, die uns jetzt noch heftiger umsummten. Ich zählte mittlerweile gar nicht mehr mit, wie viele von den Blutsaugern mich mittlerweile schon überfallen hatten.
Schließlich und ohne weitere Froschzwischenfälle erreichten wir einen Platz, auf dem ein großes Lagerfeuer entzündet worden war. Der Geruch von Bratwürsten stieg mir in die Nase, und ich fragte mich, ob wir wirklich noch auf dem Schlossgelände waren. Der Schlossherr konnte doch unmöglich zulassen, dass wir Brandflecken in seinen Rasen machten!
Kaum hatten wir das Feuer erreicht, erfuhren wir, was die große Überraschung bei dieser Nachtwanderung sein sollte. Ein paar weiß gekleidete Gestalten kamen aus der Dunkelheit und begannen, zu Musik, die wahrscheinlich aus einem CD-Player kam, um das Feuer zu tanzen. Sogleich wurde es still, auch die ständig über alles lästernden Jungs verstummten.
Offenbar stellten die Tänzer Geister dar, jedenfalls deuteten ihre Gewänder darauf hin. Das waren also Herrn Heidenreichs Schlossgespenster! Als ein paar der Tänzer näher kamen, erkannten wir, dass sie sich Totenköpfe auf ihre Gesichter geschminkt hatten. Einige von ihnen trugen Kontaktlinsen, die ihre Augen vollkommen weiß erscheinen ließen. Sie führten ein paar Drohgebärden in unsere Richtung aus, die niemandem wirklich Angst machten. Aber das Ganze war wunderschön anzusehen, besonders als sich zu den weißen Gestalten noch leuchtend gelbe und orangefarbige gesellten, die wohl für Flammen standen.
Höhepunkt des Ganzen war schließlich ein Feuerschlucker, der seine Stäbe im Lagerfeuer entzündete und dann ein paar hohe Flammensäulen aus seinem Mund schießen ließ.
Beinahe jeder Anwesende raunte bewundernd auf, obwohl jeder von uns solch eine Darbietung sicher schon ein paarmal im Zirkus gesehen hatte. Doch hier draußen war es etwas anderes.
Nach ein paar weiteren Minuten, in denen die Flammen mit den Geistern getanzt hatten, zogen sich die Gestalten wieder zurück. Dank des Feuers, das alle blendete, konnte niemand sagen, wohin.
Als die Musik verstummte, brach der
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