Kirschenküsse
einfach nur verärgert. »Deinetwegen fliegen wir jetzt raus!«
»Ich denke, du willst gar nicht hier sein!«, blaffte ich zurück. »Außerdem hast du es dir selbst zuzuschreiben. Warum hast du mein Modell auch zerschnitten?«
Damit rauschte ich an ihm vorbei und rannte durch den Gang. Ich wollte nichts mehr von ihm sehen und hören, ich hatte einfach nur die Schnauze voll von ihm. Und es tat mir nicht im Geringsten leid, dass ich ihn angegriffen hatte. Auch wenn die Schramme an meiner Wange wie verrückt pochte, das war mir egal. Hoffentlich wuchsen seine Haare dort, wo ich sie ausgerissen hatte, nie mehr nach!
Nicht für Unbefugte
Den restlichen Vormittag verbrachte ich in unserem Zimmer und wurde von Langeweile geplagt und auch ein wenig vom Ärger darüber, dass ich erst mal nicht mehr am Kurs teilnehmen durfte. Schließlich war mein Modell zerstört, und wenn ich es noch irgendwie schaffen wollte – und durfte –, konnte ich jede Minute gebrauchen.
Schließlich schrieb ich einen Brief an meine Eltern, allerdings erwähnte ich die Prügelei nicht. Da ich die Sache mit Norman aber unbedingt jemandem erzählen musste, schickte ich Mona eine SMS, auch wenn ich mir sicher war, dass ich keine Antwort kriegen würde. Dann schrieb ich noch in das Tagebuch, das ich vor der Abreise gekauft hatte, und schrieb mir die Wut von der Seele.
Nach dem Mittagessen, zu dem ich vor allen anderen gegangen war, um nicht angeglotzt zu werden, ging ich zum See. Ein paar Touristen schlenderten durch den Schlossgarten, aber niemand schien sich näher für den See zu interessieren. Ich setzte mich auf den Steg und versuchte, meinen Ärger loszuwerden, indem ich einen Stein nach dem anderen ins Wasser warf.
Alles hätte so schön sein können!
Das Schloss war traumhaft, das Entwerfen der Sachen machte riesigen Spaß und dann war da natürlich auch noch Thomas. Auch wenn ich nicht wusste, warum er heute Morgen nicht zum See gekommen war, obwohl er sich hätte denken können, dass ich wieder dort sein würde, hatte ich immer noch die Hoffnung gehabt, dass wir uns in den nächsten Tagen besser angefreundet hätten. Ob das noch möglich war, stand nun in den Sternen.
Doch irgendwie war die Reise auch von vornherein verkorkst gewesen. Erst der Zoff mit Mona, dann das Auftauchen von Norman und nun mein zerschnittenes Modell.
Nachdem ich den gefühlt zwanzigsten Stein versenkt hatte, hörte ich Schritte hinter mir. Als ich mich umwandte, sah ich Thomas in seiner Gärtnerkluft.
»Hi, du hier?«, fragte er und setzte sich neben mich.
Er roch nach frisch geschnittenem Gras und Seife. So verdammt gut, dass ich meinen Ärger beinahe vergessen hätte. Mein Herz klopfte jedenfalls nicht wegen meiner Wut auf Norman so schnell.
»Ist euer Kurs für heute schon zu Ende?«
»Für mich schon«, entgegnete ich ein wenig niedergeschlagen.
»Warum denn? Bist du so schnell mit Nadel und Faden?«
»Nein. Es hat Ärger gegeben.«
Thomas musterte mich ungläubig. »Du und Ärger? Wie passt das denn zusammen?«
»Ich hab mich heute Morgen mit einem Jungen geprügelt. Ein Idiot aus meiner Schule, den seine Mutter in den Modekurs geschickt hat. Er hat mein Modell zerfetzt und da habe ich die Nerven verloren.«
»Weißt du denn genau, ob er es war?«
»Jetzt fang du nicht auch noch so an!«, fuhr ich ihn an. »Jeder hier will irgendwelche Beweise. Ihr wisst doch gar nicht, was für ein Mistkerl das ist, aber ich weiß es! Immerhin gehe ich jeden Tag mit ihm zur Schule.« Ich funkelte Thomas aufgebracht an.
»Entschuldige«, sagte Thomas leise und schob sich dann einen Grashalm, den er schon vorher abgerissen hatte, in den Mundwinkel. »Ich wollte damit nicht sagen, dass ich dir nicht glaube.«
Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob er die Wahrheit sagte oder nicht. »Tut mir leid, du kannst ja nichts dafür. Es ist nur so, dass mir dieser Typ schon viel zu lange auf die Nerven geht.«
»Schon gut.« Eine Weile kaute er auf dem Grashalm herum, dann prustete er los, als sei ihm gerade etwas Lustiges eingefallen.
»Was ist?«, fragte ich verwirrt.
»Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass du dich mit einem Jungen geprügelt hast! Alle Achtung.«
»Ja, wirklich ein toller Verdienst. Dafür werde ich jetzt aus dem Camp fliegen. Und das, nachdem ich mich mit meiner besten Freundin deswegen schon zerstritten habe. Vielleicht hätte ich gar nicht erst mitmachen und lieber zu Hause bleiben sollen.«
»Das finde ich nicht«, sagte er
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