Kirschroter Sommer (German Edition)
keine Jungfrau im herkömmlichen Sinne …«
»Was heißt, nicht im herkömmlichen Sinne? Alex, klär das sofort auf! Sonst lässt mir dein terroristisch veranlagter Bruder nie wieder eine ruhige Minute!«
»Damit meine ich nur, dass du mittlerweile wieder als eine durchgehen könntest.«
»Was zum Teufel soll das denn heißen? Und warum diskutieren wir überhaupt vor anderen Leuten mein Sexleben?« Meine Stimme ging immer weiter nach oben.
»Seien wir doch mal ehrlich, Emely«, sagte sie ungerührt, »wie lange hattest du schon keinen Sex mehr?«
Ich plusterte die Backen auf. Doch anstatt etwas zu erwidern, verließ nur Luft meinen Mund. Wann hatten die Beatles ihr erstes Album rausgebracht?
Ich spürte alle Blicke auf mir ruhen und gleichzeitig meine Ohren immer heißer werden.
»Siehst du?«, lachte Alex, »du weißt es nicht mal.«
Ich presste meine Lippen zusammen. »Natürlich weiß ich das noch! Das geht nur niemanden etwas an!«
»Sie weiß es nicht«, sang Alex.
Boah, was war sie nur für ein fieses Miststück? Und warum hatte ich ihr nicht schon längst den Hals umgedreht?
»Das braucht dir nicht peinlich zu sein, Emely«, sagte Elyas und rutschte ein Stück an mich heran. »Ich hatte auch schon seit drei Monaten keinen Sex mehr.«
Drei Monate? Wollte er mich verarschen? Warum sagte er nicht gleich, vorgestern?
»Das ist viel bei Elyas«, erklärte Andy.
»Alex, ich hasse dich! Ich hasse dich, ich hasse dich!«
»Ach, nun komm schon, das war doch nicht böse gemeint. Aber es ist nun mal eine Tatsache.« Sie zuckte mit den Schultern.
Meine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. »Du denkst wohl, nur weil du jetzt Mister-ich-lese-dir-jeden-Wunsch-von-den-Augen-ab,-kuschel-gerne,-kann-mit-dem-Sex-warten-und-sehe-zusätzlich-auch-noch-gut-aus an deiner Seite hast, kannst du die Klappe aufreißen!« Gleich darauf blickte ich entschuldigend zu Sebastian, der nur die Hände hob, als könne er gut mit dieser Bezeichnung leben.
»Hey, bis auf den ›mit-dem-Sex-warten‹-Part, kannst du das von mir auch haben«, mischte sich Elyas ein, der sogleich einen finsteren Blick von mir einheimste.
»Ich meine doch nur, dass du dich nicht gegen alles und jeden wehren solltest«, sagte Alex.
»Ich wehre mich nicht gegen alles und jeden, sondern nur gegen deinen blöden Bruder! Und jetzt lassen wir dieses Thema!«
»Blöd?«, wiederholte Elyas.
»Ja, blöd! Und jetzt mach mich nicht wahnsinnig!« Doch genau das hatte er vor und zog einen Mundwinkel nach oben. Ich knirschte mit den Zähnen.
»Und was ist zum Beispiel mit Luca? Warum triffst du dich nicht mit ihm?«
Das hatte sie nicht wirklich gesagt! Oder? Ich starrte sie an. Doch, kaltschnäuzig wie sie war, hatte sie es tatsächlich getan.
Ich würde sie köpfen.
»Luca?«, fragte Elyas.
Sagte ich, ich würde sie köpfen? Nein, das wäre viel zu harmlos. Ich würde ihr die Haut mit einem Gurkenschäler abziehen!
»Sag mal, Alex?«, zischte ich mit zusammengekniffenen Augen. »Hast du Sebastian eigentlich schon deine Schlumpfunterwäsche gezeigt?«
Das war eine eindeutige Kriegserklärung, einen Krieg, den Alex nur verlieren konnte. Von einer Sekunde auf die andere wurde sie blass.
»Schlumpfunterwäsche?«, fragte Sebastian mit hochgezogener Augenbraue und brachte ihre Wangen zum Glühen.
Touché, Miststück!
Aber von wegen. Denn zu allem Übel fand das Sebastian auch noch niedlich. Herrgott, war der Typ schwul?
Ich zog es vor, mich für die gesamte nächste Stunde zu schämen und schmollte. Es wurde ruhiger, nach und nach klangen die Gespräche aus und die Pärchen kamen sich näher. Sophie und Andy küssten einander und schienen von uns anderen keinerlei Notiz mehr zu nehmen. Bei Alex und Sebastian war es nicht anders, nur dass sie sich zwischendurch immer wieder Sachen ins Ohr flüsterten, die sie zum Lächeln brachten.
Ich saß im Schneidersitz, lauschte dem wunderschönen Lied »Flames« von der Gruppe Vast und spielte gedankenverloren mit einem Grashalm. Elyas lag neben mir, hatte seine ausgestreckten Beine überkreuz und stützte seinen Oberkörper mit den Ellenbogen ab. Ich spürte seine Blicke in meinem Rücken, aber wenigstens musste ich ihn nicht ständig im Augenwinkel sehen.
»Emely, ich mag dich …«
Dieser Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf, schallte wie ein niemals enden wollendes Echo in meinen Ohren. Ich wusste, dass ich diesen Worten keinen Glauben schenken durfte. Aber was, wenn ich es könnte? Was wäre wenn
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