Kirschroter Sommer (German Edition)
diese Richtung begab, traf mich fast der Schlag. Denn dort stand die Person, die ich am allerwenigsten sehen wollte. Elyas lehnte lässig an der Wand und hatte uns, so wie es den Eindruck machte, die ganze Zeit beobachtet. Mit einem Mal war mir meine Tanzeinlage von eben noch peinlicher als ohnehin schon. Allerdings ließ ich mir davon nichts anmerken, als ich mich ebenfalls und mit ein paar Metern Entfernung an dieselbe Wand lehnte. Obwohl der Abstand meine Abneigung ihm gegenüber wieder einmal mehr als deutlich machte, hielt ihn das nicht davon ab, sich mir zu nähern.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hier? Na so ein Zufall …«, murmelte ich.
»Ja, findest du nicht auch?« Er lächelte und ließ mir keine andere Wahl, als die Augen zu verdrehen. Eine kurze Stille kehrte ein, doch kein Grund zum Aufatmen, denn ich bemerkte, wie er mich betrachtete. Mein nacktes Dekolleté schien es ihm besonders angetan zu haben; sein Blick klebte förmlich auf meinem Schlüsselbein.
»Und, hat’s dir gefallen?«, fragte ich schnippisch auf den Tanz bezogen und behielt ihn im Augenwinkel. Was glotzte der Typ immer so blöd?
»Sagen wir so«, grinste er. »Ein paar Klamotten deinerseits weniger und es wäre perfekt gewesen.«
Leise grummelte ich vor mich hin und bereute meine Frage. Nicht zuletzt, weil sich Elyas aus mir unerfindlichen Gründen schon wieder köstlich über mich amüsierte.
»Würdest du denn mit mir auch mal so tanzen?«, fragte er mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen.
»Wohl kaum«, erwiderte ich zuckersüß.
»Und was ist …«, fing er an, machte einen Schritt auf mich zu, legte mir dreisterweise seine Hände auf die Hüften und beugte sich mehr als nötig zu mir hinunter. »Wenn ich dich fragen würde, ob wir den Tanz jetzt sofort in mein Auto verlegen?« Sein nahes Flüstern ließ mich seinen Atem auf der Haut spüren. Meine Härchen reagierten auf diesen Kontakt, stellten sich auf und ich fühlte eine Wärme in meine Wangen steigen.
»Habe ich dich jetzt verlegen gemacht?«, hauchte er.
Ich räusperte mich. »Du doch nicht.« Unsanft streifte ich seine Hände von meinen Hüften. »Und was den Tanz in deinem Auto betrifft …«, kam ich auf sein Angebot zurück. »Sieht so aus, als müsstest du dort ein Solo hinlegen.« Ich machte eine sich wiederholende Handbewegung von unten nach oben, die meine Worte unterstrich, blickte ihn finster an und wandte ihm schließlich den Rücken zu.
Obwohl ich ihn nicht mehr sehen konnte, spürte ich dennoch sein dreckiges Grinsen im Nacken, und das machte mich wahnsinnig.
Manchmal hatte ich das Gefühl, sein Ziel lag einfach nur darin, mich auf die Palme zu bringen. Warum oder weshalb das so war und ob mein Eindruck überhaupt stimmte, wusste ich nicht. Eigentlich war ich diejenige, die Grund genug gehabt hätte, sich für damals zu revanchieren. Vielleicht brauchte es Elyas aber auch nur für seinen Stolz, um sich zu beweisen, dass er es sogar noch ein zweites Mal schaffen würde. Wenn dem so war, dann hatte er sich jedoch gewaltig geschnitten.
Dieser dämliche Idiot. Hatte er denn nicht schon genug angerichtet? Ich konnte, nein, ich wollte mich nicht mit den fiesen Erinnerungen von damals auseinandersetzen. Doch weil just genau diese mehr und mehr in meinem Kopf aufflackerten, sank meine Stimmung merklich ab. » Zum Teufel mit ihm!«, verfluchte ich Elyas innerlich und stieß mich von der Wand ab, um nach Alex Ausschau zu halten. Von Elyas würde ich mir mit Sicherheit nicht den Abend vermiesen lassen!
Meine Suche dauerte ein bisschen, aber schließlich konnte ich Alex ausfindig machen und lief ihr entgegen. »Da bist du ja«, sagte sie und überreichte mir ein Glas.
Gemeinsam begaben wir uns zurück an die Bar, unterhielten uns eine ganze Weile über belanglose Sachen und ließen unseren Blick immer wieder durch den Club schweifen. Irgendwann stieg ich von Cola pur auf Rum-Cola um und kam zu der Feststellung, dass der Abend leicht beschwipst eindeutig besser zu ertragen war.
Als später Domenic ebenfalls den Weg zurück an die Bar fand, gesellte er sich zu uns, und nach und nach verfielen wir miteinander ins Gespräch. Alex blieb an meiner Seite, hielt sich aber größten Teils aus der Unterhaltung raus.
Im Gegensatz zu Sophie, die mich weitgehend ignorierte, war ihr kleiner Bruder sehr aufgeschlossen mir gegenüber. Unter anderem erfuhr ich, dass er zwanzig Jahre alt war, Fußball spielte und bei seinem Vater in der
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