Kirschroter Sommer (German Edition)
meine Schulter, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Alex hingegen lächelte, bis ihr Bruder mit seiner Begrüßungsarie fertig war – welche überraschenderweise nicht aus Bussi links und Bussi rechts, sondern bei den Männern aus einem Handschlag und bei den Frauen aus einer kurzen Umarmung bestand. Diese Leute machten tatsächlich den Eindruck, als würden sie Elyas mögen. Unvorstellbar, wie ich fand.
»Darf ich euch meine bezaubernde kleine Schwester vorstellen?«, lächelte Elyas und zeigte auf Alex. Weil die Musik hier, wenn auch nur minimal, leiser war, konnte man ihn sogar halbwegs verstehen.
»Hallo«, rief sie in die Runde.
»Und das daneben«, lächelte er weiter und ging einen Schritt auf mich zu, »ist die wunderschöne Emely. Sie ist zwar ein bisschen zickig, aber das gibt sich schon noch.« Mit einem Schmunzeln legte er mir den Arm um die nackte Schulter. Ich unterdrückte den aufkommenden Würgereiz und griff mit zwei Fingern nach seiner Hand, um diese dezent und vor allen Dingen demonstrativ wieder von meiner Schulter zu entfernen.
»Hi«, rief ich den mir unbekannten Gesichtern zu.
»Hi, ich bin Domenic«, sagte einer von ihnen und streckte Alex und mir nacheinander die Hand entgegen. Das Erste, was mir an ihm auffiel, waren seine freundlich wirkenden braunen Augen. Er war vom Körperbau her zwar eher schmächtig, aber nicht unattraktiv, und schien ein bisschen jünger als die anderen zu sein.
»Jan«, nickte uns der daneben Stehende etwas zurückhaltend zu, dem diese Vorstellungsprozedur ebenso wie mir ein bisschen unangenehm zu sein schien.
Vorsichtig reichte ich dem Nächsten in der Reihe die Hand. »Andy«, lächelte der ein Meter neunzig große Mann mit schöner schokoladenfarbener Haut, unter der er vor Muskeln nur so strotzte. Sein Kreuz war mindestens doppelt so breit wie meins, doch obgleich eine derartige Körperfülle im ersten Moment bedrohlich wirkte, sah man spätestens an dem gutmütigen Ausdruck in seinen Augen, dass er ein friedlicher Zeitgenosse war.
»Und das ist meine Freundin Sophie«, stellte Andy uns das blonde Mädchen vor, das er in seinem Arm hielt. Sie hatte sehr markante Gesichtszüge und volle feuerrote Lippen.
Mein erster Eindruck war, dass ich sie ziemlich nett fand, doch ich wurde eines Besseren belehrt, als sie Alex offenherzig begrüßte, während sie für mich nur ein leichtes und sehr gezwungenes Lächeln übrig hatte.
Okay. Madame konnte mich aus unerfindlichen Gründen offenbar nicht leiden. Aber eigentlich war mir das egal. Ich wusste, ich würde ihr nach dem heutigen Abend vermutlich niemals mehr begegnen müssen.
Die Begrüßungen der beiden anderen Mädels verliefen nicht wirklich herzlicher als die von Sophie. »Yvonne«, und »Jessica«, nickten sie knapp in meine Richtung, was ich genauso emotionslos erwiderte. Jessica hatte halblange schwarze Haare und einen kleinen Höcker auf der Nase, während Yvonne blonde Haare besaß und ein bisschen rundlich um die Hüften war.
Na ja , dachte ich nach dieser unerfreulichen Begrüßung, was wollte man auch von Elyas‘ Freunden erwarten? Ich sah, dass Alex immer wieder von einem Fuß auf den anderen wippte, als wir uns Sebastian, dem blauäugigen blonden Wuschelkopf, zuwandten.
»Hallo«, sagte er zu ihr mit einem verdächtigen Strahlen in den Augen.
»Hey …«, erwiderte Alex verlegen.
Alex war verlegen? Ich hätte niemals gedacht, dieses Wort eines Tages mit ihr in Verbindung bringen zu können und war froh, dass ich das nach ungefähr achtzehn Jahren Freundschaft zum ersten Mal erleben durfte. Alex war definitiv immer wieder für Überraschungen gut.
»Und du musst dann wohl Sebastian sein«, grinste ich und spürte, wie mir Alex in die Seite piekte.
»Ja, der bin ich. Schön dich kennen zulernen, Emely«, lächelte er und reichte mir seine Hand.
Die Jungs schienen, ganz im Gegensatz zu den Mädels, alle richtig nett zu sein.
»Was möchtest du trinken?«, fragte mich Elyas und beugte sich zu mir hinunter, damit ich ihn besser verstehen konnte.
Ich stöhnte. Warum konnte er es nicht einfach lassen?
»Ich kann mir selbst was holen«, antwortete ich.
»Davon bin ich überzeugt«, lächelte er. »Ich wollte auch nicht deine Kompetenzen anzweifeln, sondern lediglich wissen, was du trinken möchtest.«
Ich verdrehte die Augen und seufzte resignierend. »Cola«, sagte ich knapp. Es hatte ohnehin keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren. Er grinste, nickte und bahnte sich einen Weg an
Weitere Kostenlose Bücher