Kirschroter Sommer (German Edition)
werdet euch sofort bei mir melden! Ich steige ohne Umwege in den nächsten Zug.«
»Das wird nicht notwendig sein«, lächelte meine Mutter. »Aber ja, wir versprechen es dir.«
»Gut, ich verlasse mich darauf«, sagte ich und erhob mich. »Dann werde ich euch jetzt zum letzten Mal das Abendessen machen. Ab morgen ist Schluss mit Essen auf Rädern, und daran seid ihr selbst schuld.« Ich reckte das Kinn und begab mich in die Küche, um den Tisch zu decken.
Nach dem Essen ging ich nach oben in mein Zimmer, um mir online ein Zugticket nach Berlin zu kaufen. Allerdings erst für den späten Nachmittag, somit hatte ich noch genug Zeit, mich auch von Alena und Ingo zu verabschieden.
Danach überlegte ich, ob ich gleich Alex anrufen und ihr von den Neuigkeiten erzählen sollte. Schließlich klagte sie täglich, wie sehr sie mich vermisste. Aber weil sich dieses Telefonat sicher in die Länge ziehen würde, war es sinnvoller, erst mal zu packen. Während ich das tat, kam ich nicht umher, an Elyas denken zu müssen. Ihm hatte ich es zu verdanken, dass ich überhaupt Klamotten mitgenommen hatte. In der Nacht des Unfalls war ich so durcheinander gewesen, dass ich an derart Grundlegendes nicht einmal gedacht hatte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was ich für die Dauer von drei Wochen ohne frische Wäsche getan hätte.
Es sah ganz danach aus, als behielt Ingo recht und es gab tatsächlich Momente, in denen Mr. Blödmann nur ein kleinerer Mr. Blödmann war …
Ich stellte die noch unverschlossene Reisetasche neben meine Tür und ging noch mal kurz nach unten zu meinen Eltern, um zu fragen, ob sie etwas benötigten. Dann schlappte ich wieder nach oben und legte mich samt Telefon aufs Bett. Nur um sicher zu gehen, hielt ich den Hörer ein bisschen weiter von meinem Ohr weg. Doch statt einer immer gut gelaunten Alex, meldete sich eine traurige und sehr dünn klingende Stimme mit »Ja?«.
»Bist du das, Alex?«, fragte ich und ging in meinem Kopf bereits zwanzig schreckliche Krankheiten durch, die ihren untypischen Zustand erklären könnten.
»Ja, bin ich.«
»Was ist denn los?«
»Ach Emely«, jammerte sie. »Er hat mich wieder nicht geküsst.«
Ich seufzte.
»Wieso küsst er mich einfach nicht?«, fragte sie.
Darüber wunderte ich mich inzwischen allerdings auch. Alles, was Alex von Sebastians Worten und Gesten erzählte, sprach eindeutig dafür, dass er sie ebenfalls mochte. Und wenn ich an meine eigenen Beobachtungen zurückdachte, dann konnte ich diesen Eindruck nur bestätigen.
Mittlerweile waren die beiden schon fünf Mal miteinander aus gewesen, aber Sebastian machte keinerlei Anstalten, einen Schritt weiter zu gehen, und Alex schüchterte das so sehr ein, dass auch sie sich nicht mehr traute, den ersten Schritt zu machen. Irgendeinen Grund musste es für Sebastians Zurückhaltung geben, und der interessierte mich allmählich fast genauso wie Alex.
»Hm«, überlegte ich, »womöglich hat er überhaupt keine Chance, dich zu küssen.«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht redest du einfach zu viel?« Ich grinste.
»Sehr witzig«, murmelte sie.
»Hast du denn Elyas schon mal darauf angesprochen? Immerhin ist er sein bester Freund.«
»Ja, schon oft.« Sie seufzte. »Aber er will sich nicht einmischen. Er meint, wir wären alt genug, um das selbst auf die Reihe zu kriegen.« Alex klang wenig begeistert, ich dagegen konnte Elyas eigentlich nur beipflichten. Die beiden waren keine Teenies mehr. Wenn ihre Gefühle wirklich echt waren, dann würden sie früher oder später einen Weg finden. Dafür bräuchte es keine peinlichen Verkupplungsversuche, die ich ohnehin auf den Tod nicht ausstehen konnte. Würde Alex diese Ansicht mit mir teilen, dann wäre mir in meinem Leben einiges erspart geblieben.
»Aber er könnte dir doch zumindest sagen, wie er das Ganze einschätzt?«, fragte ich.
»Ja, indirekt hat er das auch … Er hat mir einen minimalen Tipp gegeben.«
»Und der wäre?«
»Er hat gesagt, dass Sebastian mich mag.«
»Na also! Es gibt überhaupt keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen.«
»Das sagst du so …«
»Ich meine es auch so«, entgegnete ich. »Aber ich sehe schon, du brauchst dringend meine Hilfe.« Ich hatte zwar keine Ahnung, wie ich ihr helfen sollte, doch manchmal reichte es schon aus, wenn Alex dachte, sie hätte eine Hilfe.
Sie jammerte. »Du bist aber so weit weg …«
»Bis morgen wirst du es ja wohl noch aushalten, oder?« Ich schmunzelte und hätte in diesem Moment nur
Weitere Kostenlose Bücher