Kishons beste Familiengeschichten.
unterbrochen. Möglich, daß ich eine unvorsichtige Bewegung gemacht habe und irgendwo angekommen bin, wo sonst der Hörer aufliegt… Na schön, dann muß ich eben auflegen.
Aber da klingelt es schon wieder. Um Himmels willen, es wird doch nicht –?
Nein, es ist die Telefonistin:
»Das macht 166 Dollar und 70 Cent, Mr. Kitschen.«
Früh übt sich oder die Abschlußfeier
»Wirst du kommen, Papi? Bestimmt?«
»Ja, mein Sohn. Bestimmt.«
Dies der kurze, wenig abwechslungsreiche Dialog, der während der letzten sechs Monate zweimal täglich zwischen mir und meinem Sohn Amir stattfand, einmal beim Frühstück und einmal vor dem Schlafengehen. Nadiwa, die Lehrerin, hatte dem Kind eine führende Rolle in dem Theaterstück gegeben, das am Ende des Schuljahrs aufgeführt werden sollte, und von diesem Augenblick an beschäftigte sich Amir ausschließlich damit, in der Abgeschlossenheit seines Zimmers den vorgeschriebenen Text auswendig zu lernen, unermüdlich, immer wieder, immer dieselben Worte, als wäre eine Schallplatte steckengeblieben:
»Häschen klein… Gläschen Wein… sitzt allein«, erklang es unablässig aus Kindermund. »Kleiner Hase… rote Nase… ach, wie fein… muß das sein…«
Selbst auf dem Schulweg murmelte er diesen läppisch gereimten Unfug vor sich hin, selbst auf die erzürnten Rufe der Kraftfahrer, die ihn nicht überfahren wollten, reagierte er mit Worten wie: »Häschen spring… klingeling… komm und sing…«
Als der große Tag da war, platzte das Klassenzimmer aus allen Nähten, und viele Besucher drängten herzu, um teils ihre Sprößlinge und teils die von eben diesen angefertigten Buntstiftzeichnungen israelischer Landschaften zu bestaunen. Mit knapper Not gelang es mir, ein Plätzchen zwischen dem See Genezareth und einem Tisch mit Backwerk zu ergattern. Im Raum brüteten die Hitze und eine unabsehbare Schar erwartungsvoller Eltern. Unter solchen Umständen hat ein Durchschnitts-Papi wie ich die Wahl zwischen zwei Übeln: er kann sich hinsetzen und nichts sehen als die Nacken der vor ihm Sitzenden, oder er kann stehen und sieht seinen Sohn. Ich entschied mich für einen Kompromiß und ließ mich auf einer Sessellehne nieder, unmittelbar hinter einer Mutti mit einem Kleinkind auf dem Rücken, das sich von Zeit zu Zeit nach mir umdrehte, um mich ausdruckslos anzuglotzen.
»Papi«, hatte mein Sohn Amir beim Aufbruch gefragt, »wirst du auch ganz bestimmt bleiben?«
»Ja, mein Sohn. Ich bleibe.«
Jetzt saß Amir bereits auf der Bühne, in der dritten Reihe der für spätere Auftritte versammelten Schüler, und beteiligte sich mit allen anderen am Absingen des Gemeinschaftsliedes unserer Schule. Auch die Eltern fielen ein, wann immer ein Mitglied des Lehrkörpers einen von ihnen ansah.
Die letzten Mißtöne waren verklungen. Ein sommersprossiger Knabe trat vor und wandte sich wie folgt an die Eltern:
»Nach Jerusalem wollen wir gehen, Jerusalem, wie bist du schön, unsere Eltern kämpften für dich, infolgedessen auch für mich und für uns alle, wie wir da sind, Jerusalem, ich bin dein Kind und bleibe es mein Leben lang, liebe Eltern, habet Dank!«
Ich, wie gesagt, saß in geräumiger Distanz vom Ort der Handlung. Was dort vorging, erreichte mich nur bruchstückweise.
Soeben rezitiert ein dicklicher Junge etwas über die Schönheiten unseres Landes, aber ich höre kein Wort davon und bin ausschließlich auf visuelle Eindrücke angewiesen: wenn er hinaufschaut, meint er offensichtlich den Berg Hermon, wenn er die Arme ausbreitet, die fruchtbaren Ebenen Galiläas oder möglicherweise die Wüste Negev, und wenn er mit seinen Patschhändchen wellenförmige Bewegungen vollführt, kann es sich nur um das Meer handeln. Zwischendurch muß ich die ängstlich forschenden Blicke meines Sohnes erwidern und die des Kleinkindes ignorieren.
Stürmischer Applaus. Ist das Programm schon zu Ende?
Ein geschniegelter Musterschüler tritt an die Rampe:
»Das Flötenorchester der vierten Klasse spielt jetzt einen Ländler.«
Ich liebe das Flöteninstrument als solches, aber ich liebe es in der Landschaft draußen, nicht in einem knallvollen Saal mit Städtern. Wie aus dem notdürftig vervielfältigten Programm hervorgeht, besitzt die vierte Klasse außer einem Flötenorchester auch vier Solisten, so daß uns auch vier Soli bevorstehen, damit sich keiner kränkt: 1 Haydn, 1 Nardi, 1 Schönberg, 1 Dvorak…
An den Fenstern wimmelt es von zeitungslesenden Vätern. Und sie genieren
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