Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
da wir offenbar Gäste begrüßen mussten und verlaufene Mascara nicht mein Lieblingslook war, begab ich mich lieber zum Wandschrank, um mir etwas Passendes zum Anziehen herauszusuchen. Wenn ich nur wüsste, wozu meine Garderobe passen musste!
Devereux genoss es, meinen Schrank von seinen weiblichen Untergebenen füllen zu lassen. Anfangs hatte mich dieser Überfluss gestört, weil ich ihn schlicht für einen weiteren Versuch Devereux’ hielt, Kontrolle auszuüben, indem er auch noch bestimmte, wie ich mich kleidete. Und als mir seine Helferinnen eröffneten, dass sie mich ausspioniert hatten – mich observierten und in meine Träume sahen –, dachte ich endgültig, er hätte die Grenze zwischen Verwöhnen und Manipulieren überschritten. Doch es dauerte nicht lange, bis ich begriff, dass es ihm wirklich Vergnügen bereitete, mich mit Geschenken zu überhäufen. Mehrere seiner Untotenelfen hatten erzählt, dass sie sehr viel Spaß dabei gehabt hatten. Also hörte ich auf, mich über meine beständig wachsende Garderobe zu beklagen. Ich akzeptierte die Kleidergeschenke und schätzte mich glücklich. Um ehrlich zu sein, ließ mein Modesinn sowieso zu wünschen übrig. Vor langer Zeit schon hatte ich mich mit der Tatsache abgefunden, dass ich zwar manche Talente besitzen mochte, die beste Kleidung für meinen Typ auszusuchen jedoch nicht zu ihnen zählte. Leider hatte ich in der Highschool den Kurs »Wie werde ich ein Cosmo-Girl?« verpasst.
Wer hätte gedacht, dass ich stattdessen zu Alice im Wunderland würde?
Eine Weile lang war ich hin- und hergerissen zwischen dem Intellektuellen-Look eines knöchellangen dunkelblauen Samtkleids und meiner Version von »hip« in Gestalt einer schwarzen Lederhose, deren Stil zu Devereux passte. Letztlich entschied ich mich für etwas Bequemes: eine Jeans, die wahrscheinlich sündhaft teuer gewesen war, einen blassblauen V-Ausschnittpullover aus Kaschmir und Sandalen.
Da ich meiner Garderobenwahl nie vertraute, vergewisserte ich mich in dem dreiteiligen großen Spiegel, dass ich akzeptabel gekleidet war. Dabei vollführte ich ein paar Bewegungen, die ich beim Jazztanz gelernt hatte, und machte einige Drehungen. Ich wollte gerade die Kette unter dem Pulli hervorziehen, als ich fühlte, dass jemand hinter mir stand. Sofort befürchtete ich das Schlimmste, blickte erschrocken auf und hielt den Atem an. Als ich Devereux’ Spiegelbild sah, das mich angrinste, blies ich so viel Luft aus, dass meine Lippen flatterten wie die eines Pferdes. Gleichzeitig presste ich eine Hand auf mein Herz, als könnte ich so den Galopp bremsen.
»Entschuldige, dass ich dir einen Schreck eingejagt habe!« Sein Grinsen wich einem Stirnrunzeln. »Ich wollte mich nicht anschleichen, aber du warst so in deine Kleiderwahl vertieft, dass du mich gar nicht kommen gehört hast. Und ich gestehe, dass es sehr schön war, dich zu beobachten, ohne dass du dir dessen bewusst warst.« Das Grinsen kehrte wieder. »Ganz besonders gefiel mir das Tanzen. Trotzdem bitte ich um Verzeihung, dass ich dich überrascht habe.«
»Mein Gott, Devereux!« Ich wandte mich zu ihm um. »Ich bin eben um zehn Jahre gealtert! Das nächste Mal räusper dich bitte, oder mach dich sonst wie bemerkbar, ja?« Er trug eine petrolfarbene Lederhose und ein T-Shirt in einem helleren Petrolton. Niemand sah in einem T-Shirt so elegant aus wie Devereux.
Als er sich tief verbeugte, fiel sein seidiges Haar nach vorn. »Ich werde mich bemühen, mehr Lärm zu machen, und sehen, was ich tun kann, um dir die geraubten Jahre zurückzugeben.«
Ich fing an, zu lachen, hielt jedoch gleich wieder inne, weil er mir ein bisschen zu ernst erschien. »Was meinst du damit? Das ist ein Scherz oder – nur so eine Redewendung?«
»Wie wir bereits gelegentlich ansprachen, sind Raum und Zeit nicht die rigiden Strukturen, für die Sterbliche sie halten. Eines Tages in naher Zukunft werde ich es dir gern demonstrieren. Aber jetzt müssen wir gehen.«
Er nahm meine Hand, und wir liefen gemeinsam durch das Schlafzimmer, den Flur entlang und in das riesige Wohnzimmer, das ich zuvor als das Zahnarztwartezimmer aus der Vorhölle beschrieben hatte. Nur war es jetzt nicht mehr steril und leer. Vielmehr wimmelte es von Leuten, äh, Individuen, die ich noch nie gesehen hatte. Sämtliche Augen richteten sich auf uns, als wir hereinkamen.
Sowie Devereux sprach, schien sein ohnehin schon eindrucksvoller Körper noch mehr Raum einzunehmen. Sicher handelte es sich um eine
Weitere Kostenlose Bücher