Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
zu umgeben. Und ich wies Zoe an, Dr. Radcliffe herzubringen, damit er dich hypnotisieren kann, wenn du es willst. Vielleicht wäre es ohnehin gut für dich, einen alten Freund in deiner Nähe zu wissen.« Er lächelte. »Einen menschlichen Freund.«
»Ich danke dir«, sagte ich und strich mit einer Hand über seine Brust. »Ich weiß, dass er eine Nervensäge ist, aber wenigstens eine vertraute Nervensäge.«
Wir wickelten uns in große weiche Badelaken und gingen hinüber zu dem Zweierwaschtisch, der die eine Wand vollständig ausfüllte. Während Devereux sich sein Haar föhnte, beugte ich mich vor und drückte die Feuchtigkeit mit einem kleineren Handtuch aus meinen Locken. Es war komisch, solche alltäglichen menschlichen Verrichtungen Seite an Seite mit einem Vampir vorzunehmen. Als ich zum ersten Mal gesehen hatte, wie Devereux sich die Zähne putzte, war ich fasziniert gewesen. Ich schätze, dass ich nicht gedacht hatte, Untote könnten auf Dentalhygiene bedacht sein, aber es ergab durchaus einen Sinn. Wie sonst wollte man seinen Blutatem loswerden?
Das Badelaken um meinen Körper fiel herunter, als ich mich vorbeugte, um mein Make-up zu vervollständigen. Ich fühlte Devereux’ Blick, bevor ich ihn im Spiegel sah. Seine Miene wirkte schelmisch.
»Sieh mich nicht so an, sonst kommen wir nie hier raus!«
Er lachte und drehte sich zu mir, während er sein Haar bürstete. »Ach ja, ich wollte dich nach der Reporterin fragen, die du erwähnt hast: Maxie. Sie muss ziemlich außergewöhnlich sein, dass du dich so schnell mit ihr angefreundet hast. Was hat sie, dass du sie derart rasch in dein Herz geschlossen hast? Normalerweise bist du reservierter und verschlossener gegenüber neuen Bekannten.«
Reserviert
und
verschlossen
waren maßlose Untertreibungen. Manchmal war die Intensität fremder Energie so überwältigend, dass ich sämtliche Symptome einer Angststörung aufwies. Es war keineswegs so, dass ich Menschen nicht mochte – was auf viele Therapeuten durchaus zutraf – oder dass ich Angst vor ihnen hätte. Nein! Problematisch war eher, dass ich sie nicht aussperren konnte. Ich konnte meinen emotionalen Radar nicht abschalten. Und ständig von einer Flut Emotionen überrollt zu werden, war bedrückend. Trotzdem hatte Devereux eine kluge Frage gestellt. Was
war
mit Maxie? Warum hatte ich sie an mich herangelassen?
Aus unerfindlichen Gründen hatte ich mich vor diesem Gespräch gefürchtet. Was wollte ich ihm über Maxie nicht erzählen? Was wusste ich eigentlich über diese verrückte Frau? Sofern ihre Theorie vom »organisierten Verbrechen« ernst gemeint war, hatte sie jedenfalls keine gute Meinung von Devereux. Wahrscheinlich hätte ich ihre journalistischen Spekulationen erwähnen sollen, was die Quelle von Devereux’ Macht und Vermögen betraf, aber das konnte ich nicht. Wieso, wusste ich selbst nicht.
»Maxie ist ausgefallen, wild und verrückt. Ich weiß nie, was sie als Nächstes tut. Das reizt mich wohl, weil ich viel strukturierter bin. Maxie lockt mich aus meiner Wohlfühlzone.« Ich grinste. »Du würdest sie mögen. Sie ist sehr schön, groß und gebaut wie ein Bikini-Model.«
Devereux unterbrach das Haarebürsten und zog eine Braue hoch.
»Aber das Auffälligste an ihr ist ihr knielanges weißes Haar.«
»Weißes Haar? Ich dachte, sie wäre jung, eher in deinem Alter.«
»Ist sie auch. Sie sagte, irgendetwas führte dazu, dass ihr Haar über Nacht weiß wurde. So etwas passiert natürlich nicht, daher nehme ich an, dass sie irgendwann ein Trauma durchlitt, das schlimm genug war, um physiologische Veränderungen herbeizuführen. Dieses Geheimnis hat sie mir allerdings noch nicht verraten.«
Devereux ließ sein Handtuch fallen, was mich sehr ablenkte. »Ich würde meinen, dass einiges passieren muss, damit eine Sterbliche so jung ergraut. Ich kenne Fälle, in denen physische Veränderungen durch Magie verursacht wurden, aber sicher gibt es für die Situation deiner Freundin eine weniger mystische Erklärung.« Er drehte sich zu mir. Seine große, muskulöse Gestalt wurde von mehreren Spiegeln reflektiert, und auf einmel verspürte ich den Drang, mir Luft zuzufächeln.
»Entschuldige mich bitte kurz! Ich ziehe mich in meinem Zimmer an und bin gleich wieder da.« Die Stelle, an der er gestanden hatte, war plötzlich leer.
Würde es mein frisch aufgelegtes Make-up nicht ruinieren, hätte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt. Devereux war die fleischgewordene Versuchung. Aber
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