Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
gestalten. Aber ich sollte zum eigentlichen Zweck unserer Zusammenkunft heute Abend kommen. Lassen Sie uns in die Arena zurückkehren.«
Er schlang einen Arm um meine Taille, und ohne dass ich überhaupt eine Bewegung bemerkt hatte, standen wir auf einmal auf dem Podest, neben dem blutigen, festgenagelten Toten.
Vampir. Der sadistische Wahnsinnige war ein Vampir! Was stimmte mit mir nicht, dass ich es erst jetzt begriff?
Ich wandte den Blick von der Leiche ab. Wieso wollte das Monster, dass ich sein Werk sah? Hatte der Kerl etwas gegen Psychologen?
War er als Kind gegen seinen Willen in eine Therapie gesteckt worden? Hatte es schon so etwas wie Psychologen gegeben, als
er ein menschliches Kind gewesen war? Oder war er nur komplett irre?
»Erkennen Sie diesen Mann, Dr. Knight? Mir ist klar, dass er in einem erbärmlichen Zustand ist, aber seine Züge lassen sich nach wie vor identifizieren.«
Erfolglos bemühte ich mich, von ihm wegzukommen. »Ich will ihn nicht ansehen. Was für eine Sorte sadistischer Dämon sind Sie? Hatten Sie noch nicht genug Publikum für Ihren Irrsinn?«
»Doch, natürlich, allerdings nahm ich all die Mühe eigens für Sie auf mich, folglich muss ich leider darauf bestehen, dass Sie ihn sich anschauen. Lassen Sie mich nur kurz für mehr Licht sorgen.« Er hob mein Kinn an und schob es in Richtung des Toten, während er seinen Helfern zubrüllte: »Bringt eine der Fackeln näher!«
Das Licht veränderte sich, und ich wollte die Augen schließen, konnte es jedoch nicht. Meine Lider weigerten sich, dem Befehl meines Gehirns zu folgen. Unfreiwillig blickte ich auf das Gesicht hinab. Die Augen und der Mund des Mannes standen weit offen, eingefroren in einem stummen Schrei des Entsetzens. Ich brauchte einen Moment, ehe es mich mit der Wucht einer Flutwelle überkam: Carson Miller, der Radiomoderator. Der anzügliche Idiot. Der Tote.
Mir wurde schwindlig; Schweiß brach mir aus. Zuzusehen bei dem, was ich für eine Inszenierung gehalten hatte, war schon ekelhaft genug gewesen, aber zu erkennen, dass ich tatenlos den Mord einer Person bezeugt hatte, die ich kannte, war schlicht mehr, als mein Verstand verarbeiten konnte. Meine Knie gaben nach, und ich sank in eine Pfütze von Carsons Blut.
»Ach du meine Güte! Wir sind ein bisschen empfindlich, was?« Der Vampir lachte.
Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht zu kotzen, als dass ich auf seinen psychotischen Humor reagieren konnte. »Mir ist schlecht.«
»Nun, es wäre mir nicht recht, wenn Sie wie Ihr Mageninhalt riechen. Deshalb helfe ich Ihnen.« Er packte wieder meine Oberarme und zog mich nach oben, bis ich auf Augenhöhe mit ihm war. Es kostete ihn augenscheinlich keinerlei Anstrengung, als wöge ich nichts. Ich hing in der Luft und blickte ihn erschrocken an. Etwas an seinen Augen fühlte sich übel an, gefährlich, also drehte ich mein Gesicht weg. Doch selbst der kurze Blickkontakt hatte mich seltsam benebelt. Er sprach leise und mit einer tiefen raspelnden Stimme: »Ach, na kommen Sie schon! Geben Sie zu, dass Sie meine Augen wunderschön finden, ja, unwiderstehlich!« Die letzten Worten klangen wie ein Befehl. Prompt spürte ich, wie meine Augen sich wieder zu ihm wandten, und sosehr ich mich auch anstrengte, irgendwo anders hinzusehen, gelang es mir nicht. Ich blickte geradewegs in die leuchtend silberne Untiefe und merkte, wie ich ihm zustimmte, als er sagte: »Sie fühlen sich großartig, vollkommen erholt, besser denn je.«
Dann stellte er mich auf das Podest, und schwankend stand ich vor ihm. Abermals sah ich auf den blutigen Leichnam hinunter, empfand aber gar nichts. Ich war ziemlich sicher, dass ich emotional auf die unmittelbare Nähe eines Mordopfers reagieren sollte, doch ich empfand nichts außer einem Anflug von Neugier.
»Na also! Viel besser, obwohl Sie noch ein wenig verschwitzt und blass sind. Wollen wir Ihnen nicht diesen furchtbaren Mantel abnehmen?« Er schälte mich aus dem voluminösen Parka, wie jemand ein Kind auszieht, einen Arm nach dem anderen, und warf ihn ans andere Ende des Podests, weg von den Blutlachen.
Ein Teil von mir dachte, dass das eine Superidee war. Um uns herum brannten überall Feuer, so dass ich ohnehin schon überhitzt war, und der Rauch erschwerte mir das Atmen. In dem Moment, in dem der Parka fort war, fühlte ich mich, als wäre mir ein riesiges Gewicht von den Schultern genommen worden.
Sogleich aber meldete sich eine andere Stimme in mir, die unbedingt die Kontrolle
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