Kismet Knight
sich durch den Morgenhimmel zogen, und trank meinen Kaffee. Es war genau eine Woche her, dass Midnight zum ersten Mal in meiner Praxis aufgetaucht war, und seither war mein Leben zu einem drittklassigen klischeebefrachteten Horrorfilm geworden, in dem ich offenbar eine der Hauptrollen spielte.
Ich hatte davon geträumt, ein etwas aufregenderes Leben zu führen, und dabei musste ich wohl versehentlich irgendeine Wunderlampe gerieben haben, denn mein Wunsch hatte sich erfüllt. Unglückseligerweise fiel er in die Kategorie von »Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, am Ende bekommst du es noch«. Wenn ich so klug gewesen wäre, wie ich mir einbildete, dann hätte ich jetzt einen Schlussstrich gezogen. Midnight und Ronald konnte ich an andere Therapeuten verweisen und dann zu meinem üblichen Tagesablauf zurückkehren. Nur eine Verrückte besuchte in voller Absicht einen Club, der von Vampiren – Möchtegernvampiren natürlich – betrieben wurde, und hörte sich die abstrusen Geschichten reizender FBI-Agenten an.
Aber dann versuchte ich, mir vorzustellen, dass ich Devereux niemals wiedersehen würde, und etwas in meinem Inneren krampfte sich zusammen. Diese Aussicht war weniger erfreulich.
Ich beschloss, einen weiteren Becher Kaffee zu trinken – nichts kommt an das Gefühl heran, aufgekratzt und übermüdet zugleich zu sein – und mir ein paar Notizen für mein Buch zu machen. Agent Stevens’ lebhafte Fantasie hatte mir Ideen für mehrere Kapitel geliefert, und ich würde ihn bei Gelegenheit um seine Erlaubnis bitten müssen, das Material zu verwenden, das er so großzügig mit mir geteilt hatte. Er war kein Therapeut, es gab dabei also keine Vertraulichkeitsfragen zu berücksichtigen. Vielleicht würde ich mich in dem fertigen Buch sogar für seine Mithilfe bedanken.
Ich stellte den Laptop auf den Küchentisch, schrieb eine Weile, streckte dann meine Arme, um die Muskeln zu entkrampfen, und sah auf die Uhr. Es war immer noch früh am Morgen; ich konnte entweder wieder ins Bett gehen und noch zwei Stunden schlafen oder meinen üblichen Tagesablauf durchbrechen und etwas ganz anderes tun. Vielleicht sollte ich einen Spaziergang in dem großen Park ganz in der Nähe machen, den ich mir schon immer hatte ansehen wollen. Der Jefferson Park war Denvers Version des Central Park in New York; es gab dort Bäume, Bänke und Fußwege, und er war nur ein paar Straßen von meinem Stadthaus entfernt.
Doch – Training. Das war eine Idee. Ob es mir nun gefiel oder nicht, mir war dieser Tage klargeworden, dass es seine Nachteile hatte, körperlich untrainiert zu sein, und ich hatte mir selbst versprochen, diesen Zustand zu beheben und mir ein paar Muskeln zuzulegen. Ich hatte nicht vor, jemals wieder von irgendeinem Spinner gefangen gehalten zu werden, Hypnotiseur oder nicht.
Ich zog einen bequemen dunkelblauen Trainingsanzug und meine nie getragenen Laufschuhe an, die noch in ihrem Karton lagen, und verließ das Haus. In Denver waren dreihundertSonnen tage im Jahr beinahe garantiert, und dieser Morgen war ein Paradebeispiel. Genau genommen war die Tatsache, dass es in Colorado meist sonnig war, eins der wenigen Dinge, die ich an diesem in vieler Hinsicht paradiesischen Bundesstaat gern geändert hätte. Ich stamme ursprünglich aus dem Mittleren Westen, und ich liebe ordentliche Gewitterstürme und weiß auch die sanft einhüllende Melancholie grau bewölkter Tage zu schätzen.
Das Erste, was mir auffiel, war die Anzahl von Spaziergängern, Joggern, Läufern, Radfahrern, Skateboardern und Hundebesitzern, die so früh am Tag schon im Park unterwegs waren. Noch interessanter war der Prozentsatz von ihnen, der bei seiner jeweiligen Aktivität einen Starbucks-Kaffeebecher in der Hand hielt. Ich staunte über die Koordinationsfähigkeit, die es einem Menschen erlaubte, zu rennen und gleichzeitig Kaffee zu trinken.
»Kismet, bist du das? Ich dachte mir doch, dass du hier in der Gegend lebst.«
Die Stimme klang vertraut. Ich erstarrte, drehte mich langsam um und sah in die dunkelbraunen Augen von Dr. Thomas Radcliffe, meinem astrologinnenbumsenden Ex-Freund.
Verdammt!
So hatte ich mir unsere erste Begegnung nach all dieser Zeit nicht vorgestellt. In meiner Vision davon war ich perfekt gekleidet, geschminkt, frisiert und unwiderstehlich. Und die Reue darüber, wie er mich behandelt hatte, würde ihn überwältigen, und er würde mich anflehen, ihn zurückzunehmen. Stattdessen stand ich jetzt hier in einem
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