Kiss and kill: Thriller (German Edition)
gewesen, im letzten im Irak, wohin sie noch vor Weihnachten zurückkehren sollte. Und solange sie im Auslandseinsatz war, blieb ihr nichts anderes übrig, als Asheen bei ihrer Mutter zu lassen.
»Das Kind wächst ohne dich auf«, hatte LaTashas Mutter Geraldine gesagt. »Das ist für euch beide nicht gut, dass ihr so viel getrennt seid. Asheen fängt schon an, zu deiner Schwester ›Mama‹ zu sagen.«
»Denkst du denn, ich habe gewollt, dass mein Leben so wird? Ich tue, was ich kann, um Asheen ein anständiges Leben zu bieten, damit sie die Chancen kriegt, die ich nie hatte.«
»Ich habe immer mein Bestes gegeben.«
»Das weiß ich doch, Mama, und ich werfe dir nichts vor. Ich mache mir selbst Vorwürfe, weil ich mit fünfzehn schwanger geworden bin, die Schule abbrechen musste und immer wieder Marco auf den Leim gegangen bin.«
Die wichtigsten Lektionen im Leben hatte LaTasha auf die harte Tour gelernt. Als Teenager war sie hübsch und klug gewesen. Sie hatte geglaubt, sich in allem besser auszukennen als ihre Mama, einschließlich in Sachen Männer. Marco Crews war fünfundzwanzig gewesen, fuhr einen Sportwagen und hatte immerzu Geld in Hülle und Fülle. Erst nachdem sie seine Tochter zur Welt gebracht und zwei Abtreibungen hinter sich hatte, wurde ihr endlich klar, dass der Typ nichts als Ärger machte. Wie sich herausstellte, war sie eben doch nicht so klug, wie sie dachte. Marco hatte sechs Kinder mit drei Frauen, blieb jedoch unverheiratet und auf der Pirsch.
Als Asheen vier war, wurde bei ihr Diabetes mellitus diagnostiziert, und das hatte LaTasha endgültig wachgerüttelt. Sie gab ihre beiden Niedriglohnjobs auf, in denen sie keinerlei Absicherung hatte, und ging zur Army. Auf diese Weise glaubte sie, Asheen am ehesten alles geben zu können, was sie brauchte. Außerdem bot die Army LaTasha die Chance auf eine gute Ausbildung. Und sollte ihr im Irak der Schädel weggepustet werden, wäre ihre Tochter wenigstens versorgt.
»Sie ist ein süßes Mädchen«, sagte ihre Schwester Katari, die zu LaTasha kam. »Sie erinnert mich an dich, als du in dem Alter warst.«
»Sorg bitte dafür, dass sie mich nicht ganz vergisst«, bat LaTasha sie.
Ihre Schwester legte einen Arm um LaTasha und drückte sie. »Mama und ich erzählen ihr viel von dir.«
»Wann hat sie angefangen, ›Mama‹ zu dir zu sagen?«
Katari seufzte. »Das macht sie nur ab und zu mal, nicht immer.«
»Ich möchte nicht, dass sie jemanden außer mir ›Mama‹ nennt. Ich bin ihre Mama.«
»Sie hört dauernd, wie Tyrina zu mir ›Mama‹ sagt und zu Latarius ›Daddy‹«, erklärte Katari. »Du kannst ihr nicht verübeln, dass sie Eltern haben will, so wie ihre kleine Cousine. Und sie weiß trotzdem, dass du ihre Mutter bist. Deshalb vergisst sie dich auch nicht.«
LaTasha entwand sich der Umarmung ihrer Schwester. »Ich gehe spazieren. Ich muss nachdenken, mir überlegen, was ich machen soll. Wäre Mama nicht zu dir und Latarius gezogen …«
»Gib nicht Mama die Schuld. Sie wird alt. Sie hat ihr Leben lang hart gearbeitet, und ihre Gesundheit ist nicht die beste. Statt dich darüber zu ärgern, dass ich ein gutes Verhältnis zu Asheen habe, solltest du dankbar sein, dass ich ihr und Mama ein schönes Zuhause gebe.«
»Ich bin dankbar.« LaTasha schluckte gegen die Tränen an, die ihr kamen.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie den Flur hinunter durch die Küche und zur Hintertür hinaus. Geh laufen , sagte sie sich. Renn, damit du die Wut und das schlechte Gewissen loswirst, und danach kannst du den Tag mit deiner Tochter verbringen. Mach das Beste aus der Zeit, die du mit ihr hast, und streite dich nicht mit Katari. Sie hat recht, du solltest ihr dankbar sein.
Und das war sie auch. Aber deshalb musste sie noch lange nicht hinnehmen, dass ihr Kind eine andere Frau »Mama« nannte.
Griff und Charles David nutzten die morgendlichen Besuchszeiten auf der Intensivstation von neun bis halb zehn abwechselnd. Von den vielen Medikamenten war Nic immer noch ziemlich benommen, jedoch klar genug, dass Griff ihr von Rosswalt Everhart und dessen Verbindung zu Cary Maygarden erzählen konnte. Vor ihrem Besuch mittags um eins hatte Dr. Mandel seine Visite abgeschlossen und angeordnet, dass Nic vom Beatmungsgerät genommen wurde.
Charles David hatte Griff gebeten, bei seinem Gespräch mit Dr. Mandel dabei zu sein. So, wie der Arzt ihnen Nics Zustand beschrieb, musste sie Entsetzliches durchgemacht haben. Am Ende weinte Charles David still
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