Kiss and kill: Thriller (German Edition)
verspreche, dass ich dich mindestens jeden zweiten Tag anrufe«, hatte sie ihm gesagt. »Ich komme schon klar. Griff wird dafür sorgen, dass ich alles habe, was ich brauche.«
Weder sie noch ihr Bruder erwähnten, dass ihre Mutter zwar mehrmals im Krankenhaus bei Nic angerufen hatte, aber nicht nach Baton Rouge gekommen war, um ihre Tochter zu besuchen. Ihr Ehemann war der Meinung, dass es für sie zu anstrengend wäre.
Griff saß neben Nic, wenn auch nicht so dicht, dass sie sich bedrängt fühlen könnte, und er versuchte nicht, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Ab und zu nahm er ihre Hand oder sah sie einfach lächelnd an. Zweimal fragte er sie, ob sie irgendetwas bräuchte.
Armer Griff. Er bemühte sich so sehr, ihr Ritter in schimmernder Rüstung zu sein. Und sie bezweifelte nicht, dass ihm ernstlich an ihr gelegen war. Aber sie fühlte, dass er vor allem Mitleid mit ihr hatte, und das hasste sie.
Griff fühlte sich hilflos. Wie gern würde er etwas für Nic tun, um es leichter für sie zu machen. Könnte er doch nur die letzten fünf Wochen aus ihrem Gedächtnis streichen. Könnten sie doch nur zu jenem Morgen in Woodbridge zurückkehren und alles anders machen. Er würde sie wieder ins Bett zurückzerren und sie den ganzen Tag dortbehalten. Hätte er eine Ahnung gehabt, dass der Jäger sie entführen wollte, er hätte sie beschützt.
Aber er konnte ihre Erinnerungen an die Gefangenschaft ebenso wenig auslöschen wie seine eigenen. Ihm blieb nichts anderes, als zu hoffen, dass Yvette Nic so helfen könnte, wie sie ihm geholfen hatte.
Yvette hatte selbst über Jahre eine Therapie gemacht, in der sie ihr Leben und ihre Geheimnisse ihrem geliebten Psychiatrieprofessor Dr. Gilbert anvertraute. Sie hatte sogar schon Sanders und Griff so weit, dass sie den Rat des weisen alten Mannes suchen wollten, aber leider starb der Professor, bevor sie dies umsetzen konnten. Deshalb hatten sich beide von Yvette therapieren lassen.
Rückblickend erkannte Griff, dass das nochmalige Durchleben ihrer Gefangenschaft auf Amara und der Erfahrungsaustausch ihnen allen gleichermaßen geholfen wie geschadet hatte. Am Ende aber waren sie umso stärker und weiser aus ihren Prüfungen hervorgegangen. Heute ging jeder von ihnen auf seine Art mit der Vergangenheit um. Griff machte sich nicht vor, dass sie jemals vollständig genesen würden, dass die Vergangenheit irgendwann keine Macht mehr über sie haben würde. Sie alle trugen die Narben ihrer Gefangenschaft, genau wie Nic die ihren auf immer behalten würde.
Als Jonathan den Powell-Jet landete, ergriff Nic seinen Arm. Er legte seine Hand über ihre und drückte sie.
»Ich bleibe nur ein paar Wochen auf ›Griffin’s Rest‹«, sagte Nic, die auf den Fußboden sah, nicht zu Griff. »Ich mache die Therapie mit Dr. Meng und anschließend alle Tests, die das FBI von mir verlangt. Aber hinterher kehre ich zu meiner Arbeit zurück. Ich will den Jäger finden und hinter Gitter bringen.«
Griff fragte sich, ob Doug Trotter sie wieder in die Sondereinheit nehmen würde oder nicht eher auf einen anderen Fall ansetzen, sobald sie gesund genug war, um in den aktiven Dienst zurückzugehen. Vorerst würde er ihre Pläne jedoch nicht in Frage stellen.
»Du kannst so lange bleiben, wie du willst«, sagte er. »Und natürlich bist du jederzeit frei zu gehen.« Wieder drückte er ihre Hand. »Egoist, der ich bin, würde ich dich am liebsten eine ganze Weile bei mir behalten, zumindest über Weihnachten und Neujahr.«
Jetzt sah sie ihn fragend an. »An Weihnachten habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Dabei ist es schon in wenigen Wochen. Und dann Neujahr und …« Sie schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. Nachdem sie tief eingeatmet hatte, blickte sie Griff wieder an und sagte leise: »Du musst kein Mitleid mit mir haben. Ich komme schon zurecht.«
»Ach, Nic, meine Süße, denkst du etwa, ich habe Mitleid mit dir?« Er drehte sich auf seinem Sitz zu ihr hin und strich ihr sanft über die Wange. »Nichts läge mir ferner als das. Ich bin wütend. Ich möchte Everhart umbringen. Ich möchte, dass für dich alles wieder gut wird und dein Schmerz aufhört.« Sanft umfasste er ihr Kinn. »Ich will, dass du in Sicherheit bist und dir nie wieder etwas Schlimmes passiert.«
Sie kniff die Augen zu, und für einen kurzen Moment dachte er, sie würde zu weinen anfangen, aber das tat sie nicht. Jedenfalls nicht äußerlich.
»Ich werde mich für eine kurze Weile an dich lehnen«,
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