Kiss and kill: Thriller (German Edition)
so ein unstillbarer Hunger in seinen Augen, der etwas Sexuelles und Raubtierhaftes hatte. Nur hatte er sie bisher weder vergewaltigt noch sie ausgezogen, noch sie intim berührt.
Wie lange lässt er mich heute draußen?
Am ersten Tag hatte er sie nach draußen in den Wald gebracht, Hände und Füße gefesselt, und sie dagelassen. Es hatte sie mindestens eine halbe Stunde gekostet, bis sie begriff, dass sie tatsächlich allein war und fliehen könnte. Und sie war so schnell und so weit wie möglich gelaufen. Ein paar Mal war sie hingefallen, hatte aber schnell gelernt, wie sie sich auch gefesselt rasch wieder aufrappeln konnte.
Als sie gerade begann zu hoffen, sie könnte entkommen, hatte sie plötzlich ein Geländemotorrad gehört. Er war wieder da, jagte sie und zielte mit seinem Gewehr direkt auf sie. Und er zwang sie, zu dem unheimlichen Vorkriegshaus zurückzugehen, in dem er wohnte.
An jedem der drei Tage, seit sie hier war, hatte er sie in den Wald gebracht und sie für eine oder zwei Stunden dortgelassen. Sie hatte versucht, einen Fluchtweg zu finden, letztlich jedoch erkannt, dass es kein Entkommen gab. Offenbar hatte er einen Peilsender an ihren Handschellen angebracht, die er ihr nie abnahm. Und wann immer sie außerhalb seiner Sichtweite war, wusste er trotzdem genau, wo sie steckte.
Amber hörte seine Schritte auf der Holztreppe, als er in den Keller hinunterkam. Sogleich regten sich die widersprüchlichsten Gefühle in ihr, allen voran Angst und Unsicherheit, aber auch Aufregung und eine wohl unsinnige Vorfreude. Sie hatte keine Ahnung, was er mit ihr tun würde, doch sollte er sie heute wieder in den Wald bringen, hieß das, er gäbe ihr eine neue Chance, von hier wegzukommen.
Den Großteil des Tages hatte Nic über den Kopien der Berichte gebrütet, die sie während der vergangenen Woche zusammengetragen hatte. Sie hoffte nach wie vor, etwas, irgendetwas zu entdecken, was sie bisher übersehen hatte und was hoffentlich einen Gedankenblitz auslöste. Siebzehn Tage blieben ihnen, um Amber Kirby zu finden, und sie hatten nicht die leiseste Ahnung, wo die Basketballerin war. Er konnte sie in Knoxville versteckt, in den benachbarten Bundesstaat verschleppt oder quer durch die Staaten transportiert haben. Falls er so wohlhabend war wie Cary Maygarden, könnte er ein eigenes Flugzeug besitzen oder sich zumindest leisten, eines zu chartern, das ihn an jeden Ort der Welt brachte.
Nic saß halb zurückgelehnt auf ihrem Sofa, ein paar Sofakissen im Rücken und die nackten Füße überkreuzt. Sie hob ihren Eistee aus dem Chaos auf ihrem Couchtisch. Fallakten und lose Blätter bedeckten den ganzen Tisch und den Fußboden drumherum.
Sie hatte eine Einladung ihrer Mutter und ihres Bruders ausgeschlagen, die ihr beide angeboten hatten, das verlängerte Wochenende bei ihnen zu verbringen. Nic liebte ihre Mutter sehr, war jedoch nicht sonderlich von deren Ehemann angetan, einem Airforce-Colonel, der Nic sehr an ihren Vater erinnerte. Nachdem ihr Dad gestorben war, dachte Nic, ihre Mutter würde nun die Unabhängigkeit von diesem dominanten Mann genießen, der sie so vollkommen beherrscht hatte. Und was tat ihre Mom? Innerhalb von zwei Jahren heiratete sie einen Mann, der ebenso ein Kontrollfreak war wie ihr vorheriger.
Ihren Bruder Charles David betete Nic seit dem Moment an, in dem ihre Eltern ihn aus dem Krankenhaus mit nach Hause brachten. Damals war Nic vier. Als Kleinkind war ihr Bruder viel zu hübsch für einen Jungen gewesen. Mit seinen riesigen braunen Augen und den dunklen Locken hielt ihn jeder für ein Mädchen, was ihren Vater maßlos ärgerte. Aber Charles Bellamy tat, was getan werden musste, schleppte seinen weinenden Zweijährigen zum Friseur und ließ ihm die hübschen Locken abrasieren. Seine Frau war verzweifelt.
Wann immer Nic mit ihrem Bruder zusammen weggehen durfte, genoss sie jede Minute mit ihm. Obwohl sie nicht recht zu seinen künstlerisch veranlagten Freunden passte, die Theaterstücke und Gedichte schrieben, komponierten, malten oder sich als Bildhauer versuchten und alle in einer Welt transzendentaler, mystischer Ideen lebten, fand Nic es von Zeit zu Zeit nachgerade erfrischend, von so viel künstlerischer Inspiration umgeben zu sein. Ihr Leben, ihre Welt war die rauhe Wirklichkeit, die sich ihr zumeist von ihrer hässlichen Seite präsentierte. Ohne die gelegentlichen Reisen zu ihrem Bruder an die Westküste könnte Nic allzu leicht vergessen, dass es immer noch Schönheit,
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