Kissed by an Angel
Tür.
»Willow Street fünfhundertachtundzwanzig«, rief Betty aus dem hinteren Teil des Ladens.
»Fünfhundertdreißig«, verbesserte Lillian ruhig.
Das schränkt es schon mal ein, dachte Ivy und verließ den Laden.
Sie sah auf die Uhr, es blieb ihr keine Zeit mehr für ihre Freundinnen.
Suzanne und Beth hatten beim Food Court auf sie gewartet. »Du wolltest schon vor zwanzig Minuten hier sein«, beschwerte sich Suzanne.
»Ich weiß, aber es ist wieder einer dieser Tage«, erwiderte Ivy. »Bringt ihr mich zu meinem Auto? Ich muss das hier abliefern und dann direkt nach Hause.«
»Hast du das gehört? Sie muss direkt nach Hause«, sagte Suzanne zu Beth, »wegen einer Geburtstagsfeier, behauptet sie. Philips neuntem Geburtstag.«
»Heute ist der achtundzwanzigste Mai«, erwiderte Ivy. »Du weißt genau, dass das sein Geburtstag ist, Suzanne.«
»Aber den Gerüchten nach«, wandte sich Suzanne wieder an Beth, »ist es eine Hochzeit im Familienkreis.«
Ivy verdrehte die Augen und Beth lachte. Suzanne hatte Ivy immer noch nicht verziehen, dass sie ihr den Schwimmunterricht verschwiegen hatte.
»Kommt Tristan heute Abend?«, fragte Beth, als sie das Einkaufszentrum verließen.
»Er ist einer von Philips zwei Gästen«, antwortete Ivy, »und wird neben Philip sitzen, nicht neben mir, und er wird den ganzen Abend mit Philip spielen, nicht mit mir. Tristan hat es versprochen. Nur so konnten wir verhindern, dass mein Bruder mit uns zum Schulball kommt. Hey, wo habt ihr beiden geparkt?«
Suzanne konnte sich nicht erinnern und Beth hatte sich die Stelle auch nicht gemerkt. Ivy fuhr mit ihnen den Parkplatz ab. Beth hielt nach dem Auto Ausschau, während Suzanne Ivy Ratschläge über Kleider und Liebe gab. Sie behandelte sämtliche Themen, angefangen bei Telefonstrategien bis hin zu wie man sich rar machte und was man anstellen musste, um cool zu wirken. Ihre Ratschläge der letzten drei Wochen füllten Bände.
»Suzanne, ich glaube, du machst den ganzen Beziehungskram zu kompliziert«, meinte Ivy schließlich. Diese ganzen Spielchen. Mir kommt alles ziemlich einfach vor.«
Unglaublich einfach, dachte sie. Ob Tristan und sie zusammen abhingen oder lernten, ob sie still nebeneinandersaßen oder beide zur gleichen Zeit zu reden versuchten - was sie ziemlich häufig machten diese letzten Wochen waren unglaublich einfach gewesen.
»Das liegt daran, dass er der Richtige ist«, behauptete Beth wissend.
Nur eines verstand Tristan an Ivy nicht: die Engel.
»Du hattest ein schwieriges Leben«, hatte er eines Nachts zu ihr gesagt. Sie waren gemeinsam auf einer Party gewesen - und Tristan hatte sie in der Morgendämmerung zu Hause abgesetzt. Sie liefen barfuß durchs Gras, weg vom Haus bis zum Abhang. Im Westen hing die Mondsichel wie vergessener Weihnachtsschmuck. Ein einzelner Stern stand am Himmel. Tief unter ihnen schlängelte sich ein Zug silbrig durch das Tal.
»Du hast schon so viel durchgemacht, ich werfe dir überhaupt nicht vor, dass du an so etwas glaubst«, sagte Tristan.
»Du wirfst mir nichts vor? Du machst mir keinen
Vorwurf? Was willst du denn damit sagen?« Doch sie wusste, was er meinte. Für ihn war ein Engel wie ein netter Teddybär - etwas, woran sich ein Kind klammem konnte.
Er hielt sie fest im Arm. »Ich kann nicht daran glauben, Ivy. Ich habe alles, was ich will und brauche, hier auf der Erde«, sagte er. »Genau hier und jetzt. In meinen Armen.«
»Tja, ich nicht«, erwiderte sie, und selbst in dem schwachen Licht konnte sie erkennen, dass er gekränkt war. Sie fingen zu streiten an. Zum ersten Mal verstand Ivy, dass man, je mehr man liebt, auch umso mehr leidet. Was noch schlimmer war, man litt sowohl für den anderen als für sich selbst.
Nachdem er gegangen war, weinte sie den ganzen Vormittag. Als sie ihn nachmittags anrief, ging er nicht ans Telefon, doch abends kehrte er mit fünfzehn lavendelfarbenen Rosen zu ihr zurück. Eine für jeden Engel, erklärte er.
»Ivy! Ivy hast du mir überhaupt zugehört?«, fragte Suzanne und holte sie in die Gegenwart zurück. »Ich dachte, du kommst ein bisschen auf den Teppich, wenn wir dir einen Freund organisieren. Aber ich hab mich getäuscht. Du lebst immer noch in deiner Welt! Deiner Engelwelt!«
»Wir haben ihr keinen Freund organisiert«,stellte Beth ruhig aber mit Nachdruck fest. »Sie haben sich gefunden. Hier ist der Wagen, Ivy. Schönen Abend. Wir sollten
uns beeilen, es sieht nach einem Unwetter aus.«
Die Mädchen sprangen aus
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