Kissed by an Angel
brachte es nicht übers Herz. Sie wollte nicht diejenige sein, die »Caroline vor die Tür« gesetzt hatte - weder Vorjahren noch jetzt. Vermutlich fühlte sich ihre Mutter für Carolines Unglück verantwortlich, und jetzt für ihren Tod.
»Ich möchte immer noch wissen«, fuhr Gregory fort, »wie Sie darauf kommen, dass sie sich umgebracht hat. Es passt nicht zu ihr. Es passt überhaupt nicht zu ihr. Sie war eine viel zu starke Frau.«
Ivy konnte nicht fassen, wie deutlich und ruhig Gregory sprechen konnte.
»Zunächst weisen die Umstände darauf hin«, sagte der Polizeibeamte. »Es gibt zwar keinen Abschiedsbrief, aber es lagen zerrissene Fotos um sie herum.« Er warf Maggie einen Blick zu.
»Fotos von wem ...?«, fragte Gregory.
Andrew hielt die Luft an.
»Von Mr und Mrs Baines«, erklärte der Beamte. »Hochzeitsfotos aus der Zeitung.«
Andrew sah hilflos zu, wie Maggie mit gesenktem Kopf auf ihrem Stuhl zusammensackte und mit den Armen ihre Knie umschlang.
Ivy ließ Gregorys Hand los, weil sie ihre Mutter trösten wollte, aber er hielt sie fest.
»Die Pistole hing noch an ihrem Daumen. An ihren Fingern waren Schmauchspuren, die findet man nur bei demjenigen, der geschossen hat. Wir werden die Waffe natürlich auf Fingerabdrücke untersuchen und überprüfen, ob Kugel und Waffe zusammenpassen. Wir informieren Sie, falls wir etwas Ungewöhnliches feststellen. Aber die Türen waren verschlossen - es gibt keine Anzeichen, dass sich jemand mit Gewalt Zutritt verschafft hat. Die Klimaanlage war eingeschaltet und die Fenster gesichert, deshalb ...«
Gregory holte tief Luft. »Sie war wohl doch nicht so stark, wie ich dachte. Um ... um welche Zeit ist es Ihrer Meinung nach passiert?«
»Zwischen 17:00 und 17:30 Uhr, kurz bevor wir dort eintrafen.«
Ivy beschlich ein unheimliches Gefühl. Zu dieser Zeit war sie durch Carolines Teil der Stadt gefahren. Sie hatte den zornigen Himmel betrachtet und die windgepeitschten Bäume. War sie an Carolines Haus vorbeigefahren? Hatte sich Caroline umgebracht, während der Sturm tobte?
Andrew fragte, ob er später mit der Polizei reden könne und führte Maggie aus dem Zimmer. Gregory blieb sitzen und beantwortete Fragen über seine Mutter und eventuelle Beziehungen und Probleme, von denen er wusste.
Ivy wollte gehen, sie wollte die Einzelheiten über Carolines Leben nicht hören, sondern einfach nur mit Tristan zusammen sein - sie sehnte sich nach seinen schützenden Armen.
Doch wieder hielt Gregory sie fest. Seine Hand war kalt und reagierte nicht auf ihre Berührungen. Sie fand seine ruhige Stimme unheimlich. Doch irgendetwas in ihm kämpfte, irgendein kleiner Teil ließ das Grauen über das, was geschehen war, an sich heran und verlangte nach ihrem Beistand. Deshalb blieb sie bei ihm, nachdem Tristan gegangen war und alle anderen schon längst im Bett lagen.
10
Aber du hast doch gesagt, dass Gary Freitagabend ausgehen wollte«, sagte Ivy.
»Wollte er ja auch«, antwortete Tristan und legte sich neben sie ins Gras. »Aber das Mädchen, mit dem er verabredet war, hat seine Meinung geändert. Ich glaube, sie hat ein besseres Angebot bekommen.«
Ivy schüttelte den Kopf. »Warum ist Gary immer hinter den Alphamädchen her?«
»Warum ist Suzanne hinter Gregory her?«, fragte er zurück.
Ivy lächelte. »Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem Ella Schmetterlinge jagt.« Sie sah der Katze bei ihren Ballettsprüngen zu.
Ella fühlte sich in Pfarrer Carruthers Garten ausgesprochen heimisch. Inmitten von Löwenmäulchen, Lilien, Rosen und Kräutern hatte Tristans Vater Katzenminze gepflanzt.
»Ist Samstagabend denn ein Problem?«, fragte Tristan.
»Wenn du arbeiten musst, können wir uns auch eine Spätvorstellung ansehen.«
Ivy setzte sich auf. Tristan stand bei ihr an erster Stelle, immer. Aber da sie mit ihm schon für Freitagabend und für Sonntag Pläne hatte - konnte sie ebensogut jetzt damit herausrücken.
»Am Samstagabend hat Gregory Suzanne, Beth und mich und ein paar von seinen Freunden eingeladen«, erklärte sie.
Tristan verheimlichte weder seine Überraschung noch sein Missfallen.
»Suzanne war so heiß darauf«, fügte Ivy hastig hinzu. »Und Beth war auch richtig aufgeregt - sie geht nicht so oft weg.«
»Und du?«, fragte Tristan, stützte sich auf einen Ellbogen und spielte an einem langen Grashalm herum.
»Ich finde, ich sollte mitgehen - wegen Gregory.«
»Du hast in den letzten Wochen ganz schön viel wegen
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