Kissed by Darkness
begann ich damit, Muskeln anzuspannen und Gelenke zu beugen. Fast alles funktionierte. Da war nur eine Kleinigkeit: Ich war mit schweren ledernen Handschellen ans Bett gefesselt. Das brachte mich aus der Fassung. Ich war hier das Opfer. War denen das klar? Warum war ich gefesselt?
Ich musste wohl ein Geräusch gemacht haben, denn ein Gesicht erschien, vor meinen Augen und über mir schwebend. Dunkle Augen und honiggeküsste Zimthaut verrieten die indianische Herkunft der Frau. Ihre Miene wirkte viel zu ernst für ein Gesicht, das zum Lächeln gemacht zu sein schien. »Wie fühlen Sie sich?« Die Frau sprach mit einem Akzent, der nicht richtig britisch, aber so ähnlich klang.
»Äh, ganz in Ordnung, glaube ich. Wie lang war ich denn bewusstlos?«
»Drei Tage. Sie sind ziemlich übel zugerichtet worden.« Ihre Stimme klang kühl, distanziert, und ihr Blick war aufmerksam.
Auf meiner Zunge lag ein Geschmack, als hätte ich eine tote Maus verschluckt, und mein Mund war so trocken, als wäre er mit Watte ausgestopft. »Gott sei Dank. Ich dachte, ich wäre tot.«
Jetzt wurde ihr Lächeln merkwürdig sanft. »Ja«, sagte sie leise. »Das waren Sie auch.«
Ich erstarrte. »Das verstehe ich nicht.« Es war nur ein heiseres Flüstern. »Warum bin ich ans Bett gefesselt?«
»Nur für den Fall.« Sie zog sich einen Stuhl heran.
»Für welchen Fall?« Meine Stimme klang ein wenig schrill. Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich wollte glauben, dass ich mir diese Kreatur, die mich angegriffen hatte, nur eingebildet hatte, aber so war es nicht. Was ich gesehen hatte, durfte es nicht geben, aber das tat es. Ich wusste, dass es wahr war.
Ich erinnerte mich daran, wie mir die Fangzähne die Kehle zerfetzten, an den Schmerz, das Blut, den scharfen Angstgeruch. Meine Panik. Ich hatte gefühlt, wie das Leben aus mir heraussickerte und sich auf den kalten Asphalt ergoss. Ich hätte tot sein müssen. Wieder und wieder hallten diese Worte in meinem Kopf nach: Ich müsste tot sein.
»Für den Fall, dass Sie sich verwandeln.« Ihre Stimme klang emotionslos.
»Verwandeln? In was denn verwandeln?« Wieder stieg Panik in mir auf, aber ich kämpfte sie mit einer Entschlossenheit nieder, die ich nicht von mir kannte.
»In einen Vampir.« Sie meinte es ernst. »Wir haben Sie gefesselt für den Fall, dass Sie sich in einen Vampir verwandeln.« Irgendetwas in ihrer Miene verriet mir, dass ich in diesem Fall nicht lang überlebt hätte.
»Aber ich habe mich nicht verwandelt.« Eigentlich hätte ich erleichtert sein sollen, aber irgendwie war ich das nicht. Noch nicht. Ich musste ganz sicher sein. »Moment, dann gibt es Vampire also wirklich?« Das wusste ich zwar bereits, aber ich brauchte jemanden, der mir sagte, dass ich nicht verrückt war. Und außer ihr war niemand hier in diesem kalten, hellen Raum.
Dieses Mal war ihr Lächeln aufrichtig und ungetrübt. »Ja, Vampire gibt es wirklich. Genau wie eine ganze Menge anderer gemeiner Kreaturen, von denen Sie vermutlich noch nicht einmal gehört haben.«
Ich wollte nicht einmal wissen, was sie mit »anderen gemeinen Kreaturen« meinte. Ich versuchte immer noch, die Tatsache zu verdauen, dass Vampire nicht nur real waren, sondern auch nichts mit den atemberaubend schönen Hollywoodwesen zu tun hatten. Das Monster, das mich angegriffen hatte, war alles andere als sexy gewesen. »Warum habe ich mich nicht verwandelt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich begreife es immer noch nicht. Normalerweise vollzieht sich die Verwandlung innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden.«
Erleichtert atmete ich auf. »Gott sei Dank.«
»Ja, Sie sollten definitiv dankbar sein. Niemand überlebt einen solchen Vampirangriff, ohne sich zu verwandeln. Niemand. Jedes einzelne so schwer verletzte Opfer, das wir bisher gefunden haben, ist zum Vampir geworden. Sie sind die Erste, bei der es nicht so ist, und wir haben keine Ahnung, warum. Sie vielleicht?«
»Nein. Ich weiß es nicht.« Woher auch?
Sie musterte mich, als wäre ich eine interessante neue Spezies. Trotz meiner Angst und Verwirrung hielt ich ihrem Blick stand.
»Gut, Sie werden es schaffen.« Ihre Miene verwandelte sich und an die Stelle des nüchternen Interesses trat herzliche Freude. Es brachte mich ein wenig aus dem Konzept, aber gleichzeitig breitete sich warme Erleichterung in mir aus. Es tut immer gut, akzeptiert zu werden, auch wenn man keine Ahnung hat, warum.
Verwirrt sah ich sie an. Ich war völlig durcheinander und fühlte mich
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