Kissed by Darkness
Sichtfeld erschien, nahm ich an, dass er in sein Handy sprach. »Und ich habe dir gesagt, dass du sie verfolgen lassen sollst, Kaldan, nicht dass sie dein dämlicher Lakai angreifen soll.«
Kaldan! Ich kannte nur einen Kaldan, und zwar den Anführer des ansässigen Vampirklans. Terrance’ Boss. Hatte Kaldan mir Terrance auf Darrochs Befehl hin auf den Hals gehetzt? Und warum in aller Welt sollte Kaldan überhaupt Befehle von Darroch entgegennehmen?
Was auch immer Kaldan darauf erwiderte, es machte Darroch echt sauer, denn der begann jetzt zu brüllen. »Hör zu, du Idiot, es interessiert mich nicht, dass er am Verhungern war! Ihr Blut wird nicht angerührt! Er soll ihr folgen, nicht angreifen … Ist mir scheißegal … Weißt du was, Kaldan? Kümmere dich darum, sonst tue ich es!«
Darroch beendete das Gespräch und ließ sich dann aufs Bett sinken, um die Schuhe auszuziehen. Ich zuckte zusammen, als sich die Latten über meinem Kopf durchbogen. Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum sollte mich mein Klient verfolgen lassen? Wenn ich Jack Glauben schenken konnte – und allmählich kam ich zu der Überzeugung, dass ich das tatsächlich konnte –, dann hatte Darroch das Amulett bereits. Darum konnte es ihm also nicht gehen.
Wollte Darroch, dass ich ihn zum Sunwalker führte? Zu jenem Sunwalker, den ich in seinem Auftrag töten sollte?
Entweder traute mir Darroch nicht – was angesichts der Tatsache, dass ich gerade unter seinem Bett lag, durchaus verständlich war – oder hier spielte sich eine ganze Menge mehr ab, als ich wusste. Ich tippte mal auf Letzteres.
Und wie sollte ich jetzt hier rauskommen? Und das am besten, ohne dabei erwischt zu werden?
Unglücklicherweise hatte Darroch offenbar beschlossen, dass er einen Mittagsschlaf gebrauchen könnte. Ein Kleidungsstück nach dem nächsten landete wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt auf dem Boden. Dann streckte er sich, mit einem Seufzen und Knarzen der Bettfedern, auf seinem Lager aus.
Na ganz toll.
Eine gefühlte Ewigkeit lag ich einfach nur da, während mir der Staub in der Nase kitzelte. Endlich hörte ich ein Schnarchen von oben. Jetzt oder nie.
Ich rollte mich unter dem Bett hervor und schlich eilig zur Tür. Ein rascher Blick in den Flur zeigte mir, dass die Luft rein war, und ich hastete die Treppe hinunter.
Als ich schon fast unten angekommen war, sah ich, wie sich der Knauf der Eingangstür drehte, und hörte Stimmen von draußen, die ganz nach den menschlichen Wachhunden klangen. Darroch war also doch nicht allein. Mir blieben nur Sekunden, bevor sie hereinkommen und mich wie eine Idiotin im Gang stehen sehen würden.
Ich rannte auf eine Tür zu, die rechts vom Korridor abging, und drehte den Knauf. Verschlossen. Scheiße. Was jetzt? Mir blieb keine Zeit mehr, nach einem anderen Versteck zu suchen.
Meine Blicke jagten durch den Gang. Gleich würden sie mich haben. Direkt neben der Eingangstür stand ein Tischchen mit einer schwarzen Vase voller orangeroter Rosen. Das war nicht viel, aber mehr war da nicht.
Ich rannte hinüber und stellte mich so hinter das Tischchen, dass es mich von der Tür aus ein wenig abschirmte. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht in meine Richtung blicken würden.
Dann schwang die Eingangstür auf und drei Männer kamen herein, die heftig über das letzte Spiel der Yankees debattierten. Anscheinend war es ein wirklich gutes Spiel gewesen, denn keiner von ihnen sah sich um.
Bevor ich mich aber auch nur rühren konnte, zögerte einer der Gorillas und wollte sich schon zur Eingangstür umdrehen. Scheiße. Hatte er mich doch gesehen? Ich konnte entweder bleiben, wo ich war, oder losrennen, aber kriegen würden sie mich so oder so.
Doch dann fragte ihn einer der beiden anderen etwas und lenkte ihn von mir ab. Innerlich atmete ich auf.
Die Gorillas gingen noch immer ins Gespräch vertieft in die Küche. Sobald sie außer Sicht waren, trat ich aus meinem Versteck hervor, lief zur Eingangstür und trat offen und unverblümt ins Freie.
Einer von Darrochs Nachbarn brachte gerade den Müll raus. Er musste schon um die achtzig sein und musterte mich misstrauisch durch dicke Brillengläser. Ich nickte ihm zu, lächelte und winkte sogar ein bisschen. Er erwiderte das Lächeln und grüßte. Im Zweifelsfall immer so tun, als würde man hierhergehören.
Ich entschied mich gegen einen Besuch im Büro und machte mich stattdessen auf den Weg nach Hause. Ich war müde und wollte die nächste Stunde
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