Kissed by Darkness
schon merkwürdig genug war. Nein, es fühlte sich an, als würde ich ihn kennen, als wäre ich ihm schon einmal begegnet. Nur war ich das nicht. Oder?
Schließlich stand ich auf und ging ins Badezimmer, um mir ein Glas Wasser zu holen. Dabei dachte ich über meinen heutigen Traum nach. Mit den Nightwalkern waren offenbar Vampire gemeint. Ich war mir nicht sicher, wer die erwähnten Ravener waren, aber sie schienen sogar noch schlimmer zu sein. Ein Ritter, der sich durch die Erde grub. Ein Priester, der sich wegen einer Seuche sorgte. Ich war sowohl der Ritter als auch der Priester gewesen, jedenfalls in den Träumen. Irgendwie schienen sie zusammenzuhängen, nur wusste ich nicht, wie.
Ich schüttelte den Kopf. Sie hatten sich zwar sehr real angefühlt, aber trotzdem waren es doch nur Träume gewesen.
Seufzend strich ich mir durch die Haare und verscheuchte die Gedanken daran. Jetzt hatte ich wirklich andere Sorgen. Es war Zeit, mir meine Standpauke abzuholen. Ich musste Kabita vom Sunwalker – Jack – erzählen und von meinem heimlichen Ausflug in Darrochs Gemächer.
Ich beschloss, es auf die feige Tour zu machen, und rief sie an. Schon beim dritten Läuten nahm sie ab.
»Äh … guten Morgen, Kabita.« Ich verzog das Gesicht, als ich hörte, wie schuldbewusst ich klang. »Ich dachte, ich bringe dich im Darroch-Fall mal auf den neuesten Stand.«
»Wunderbar, er hat sich schon nach Fortschritten erkundigt.«
Ich schloss die Augen und holte tief Luft. »Das hier wird dir nicht gefallen.«
Ich hatte recht gehabt. Es gefiel ihr wirklich nicht. Kein bisschen. Sie war sogar ernsthaft wütend und das nicht auf die vornehme englische, sondern auf sehr amerikanische Art. Weil sie aber nun mal war, wer sie war, wurde sie nicht laut. Es gab nur jede Menge tödliches Schweigen und sehr nachdrückliche »Ohs« und »Achs«, was sogar noch schlimmer war. Viel schlimmer.
»Ich verstehe nicht mal, warum du von diesem Typen überhaupt einen Auftrag angenommen hast.« Wild gestikulierend schritt ich auf und ab. »Mit dem stimmt einfach irgendetwas nicht. Und dann diese ganze Amulettsache. Ich bin mir echt nicht sicher, ob er uns da die Wahrheit gesagt hat.«
»Du glaubst diesem … Sunwalker … also einfach, dass unser Klient lügt?«
»Ach, komm schon, Kabita. Da ist dieses Foto! Und außerdem war mir dieser Darroch von Anfang an nicht geheuer, und da kannte ich Jack Keel noch nicht einmal. Hast du ihn denn jemals persönlich getroffen? Darroch, meine ich.« Die Stille auf der anderen Seite der Leitung dauerte nur eine Spur zu lang. »Hast du nicht! Wusste ich’s doch!« Fast wäre ich vor Freude auf und ab gehüpft. Dann kam mir ein Gedanke. »Warum nicht?«
Kabita überprüft immer, einfach immer, persönlich unsere Klienten. Sie ist sehr vorsichtig, wenn es um die Annahme von Aufträgen geht. Gewisse Aufgaben überträgt uns direkt die Regierung, aber alles andere unterliegt unserer eigenen Entscheidung.
Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Er wurde uns empfohlen. Von allerhöchster Stelle.«
Meine Augen wurden schmal. Üblicherweise reichte das nicht. Ob nun empfohlen oder nicht, Kabita überprüft die Klienten erst einmal gründlich selbst. Diese Empfehlung musste tatsächlich von allerhöchster Stelle gekommen sein. »Wer hat ihn empfohlen?«
»Mein Regierungskontakt.« Also ihr Betreuer und deshalb im Grunde auch meiner. Diese ganze Sache – von einem Betreuer verwaltet zu werden – hatte mir noch nie gepasst. Es war einfach nicht richtig.
»Willst du mir etwa sagen, dass die Regierung Jack tot sehen will?« Nicht den Sunwalker, sondern Jack. Er entwickelte sich zu einer realen Person für mich, wie Inigo oder Kabita oder Cordelia. Nicht gut.
»Nein«, sagte sie knapp. »Ich sage nur, dass Brent Darroch Freunde in hoher Position hat. In sehr hoher Position. Er hat einen Gefallen eingefordert.«
Großartig. Das bedeutete, dass wir dieser »Gefallen« waren. Und es bedeutete auch, dass Kabita keine Fragen gestellt hatte. Wenn die Regierung in etwas verwickelt ist, hält man lieber den Mund, wenn man gesund und munter bleiben will. Außerdem bedeutete es, dass Darroch sehr viel bessere Verbindungen hatte als gedacht. Die Sache konnte haarig werden.
»Hör zu, Morgan. Mach einfach deinen Job, ja? Schnapp dir das Amulett, verwandle diesen Sunwalker zu Staub, und dann können wir alle zufrieden heimgehen.«
Nur der Sunwalker nicht. Ich bezweifelte, dass er besonders begeistert von diesem Plan sein
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