KISSED
stolpere zurück und halte mir den Bauch.
»Geht es Ihnen gut?« Ich sehe die Birkenstocks der Kaffee-Dame, ihre verkrampften Zehen.
»Großartig.« Der Schmerz ist abgeflaut. Ich richte mich auf und versuche wieder, nach draußen zu gehen.
Wieder durchzuckt mich der Schmerz. Doch jetzt ist er auch noch in meinem Kopf. Ich taumele nach hinten. »Ich gehe. Es geht mir gut.« Ich mache noch einen Schritt vorwärts. Mein Blickfeld wird kleiner, als würde ich durch ein Spielzeugteleskop schauen. Mein Magen und mein Darm verknoten sich ineinander. Mein Kopf hat plötzlich einen Herzschlag. Ich muss gehen. Muss. Doch ich kann meine Füße kaum noch spüren. Trotzdem, ich gehe wieder einen Schritt.
Und in dem Moment geben meine Beine unter mir nach.
18
Ich bin von Schuhen umgeben. Hässlichen Schuhen. Jemand legt mir etwas Feuchtes auf den Kopf.
»Geht es Ihnen gut?«, fragt die Kaffee-Dame. »Ich rufe die Sanitäter.«
»Nein, tun sie das nicht«, bitte ich, denn in diesem Moment begreife ich es. Es ist Magie. Etwas oder jemand hindert mich daran, das Gasthaus zu verlassen, vielleicht,damit ich die Anweisungen des Fuchses nicht befolgen kann und die Nacht nicht in der Spelunke verbringe. Hat derjenige mich vielleicht sogar hierher gelockt? Ist der Frosch nur Einbildung gewesen?
Ich weiß, dass die Schmerzen zurückkommen werden, wenn ich durch diese Tür trete.
»Ich brauche die Sanitäter nicht.« Das feuchte Ding auf meinem Kopf ist ein Waschlappen. Er tropft über mein Gesicht. »Aber ich glaube, ich brauche eine Übernachtungsmöglichkeit.«
»Oh nein.« Die Zehen krampfen sich wieder zusammen. »Das ist ein Hotel und kein Obdachlosenasyl.«
Schon verstanden. Ich habe die Grenzen von Key Largos Lässigkeit erreicht. »Ich habe Geld.« Ich taste nach meinem Rucksack. Jemand hat ihn in eine Ecke gestellt, und ich zeige darauf. Schließlich reicht ihn mir eine Dame in orange-weißen Allzweckschuhen von Mephisto.
»Danke«, sage ich. »Hübsche Schuhe.«
Sie schaut nach unten. »Danke. Sie sind sehr bequem.«
»Nun, Sie wissen bestimmt, was George Bernard Shaw einmal sagte?« Als sie den Kopf schüttelt, zitiere ich: »Wenn eine Frau gegen hohe Absätze rebelliert, dann sollte sie das unbedingt mit einem sehr eleganten Hut tun.« Ich deute auf ihre Schirmmütze, die mit Puscheln bedeckt ist. »So wie Sie.«
Die Frau lacht. »Ich wusste gar nicht, dass junge Leute Shaw kennen.«
Ich krame in meinem Rucksack, bis ich Geld finde.Obwohl es mich fast umbringt, strecke ich der Kaffee-Dame dreihundert Dollar hin. »Reicht das, damit ich die Nacht bleiben kann?«
Es scheint mehr als genug zu sein, denn sie entgegnet: »Haben Sie saubere Kleider?«
»Ja.« Ich stinke wohl wirklich.
»Gut. Wenn Sie wieder laufen können, dann gehen Sie ins Badezimmer, und ziehen Sie sich um. Ihr Zimmer wird bald fertig sein. Sie können einen Muffin essen, während Sie warten … nachdem Sie sich umgezogen haben.«
»Natürlich.« Ich schaue von Birkenstock zu Mephisto. »Eigentlich bin ich jetzt so weit und kann mich umziehen.« Ich muss einen weiteren Versuch machen, von hier zu verschwinden, denn mir ist gerade etwas eingefallen.
»Wunderbar.« Sie dirigiert mich zum Bad.
Als ich drin bin, wickle ich mir den Umhang um die Schultern. »Ich wünschte, ich wäre draußen. Direkt vor der Tür. Keine Tricks.«
Nichts.
»Ich wünschte, ich wäre in dem anderen Gasthaus, dort, wo ich eigentlich sein sollte.«
Nichts.
»Alles in Ordnung da drin?« Jemand klopft an die Tür.
»Bestens.«
Ist die Kaffee-Dame eine Hexe? Hat sie mich hier in die Falle gelockt? Der Gedanke an ihr missbilligendes Gesicht sagt mir, dass sie keine ist. Sie wollte nicht, dass ich hierbleibe. Aber jemand anderes will das. Jemand hat michmit einem Fluch belegt. Und den Umhang auch, deshalb funktioniert er nicht.
Ich ziehe mich um, wasche mich so gut es geht und schüttle Essensreste und Abfall vom Umhang. Dann gehe ich nach draußen und verschlinge drei Muffins.
Eine Stunde später bin ich in einem Zimmer im dritten Stock und gucke auf den Fuchs und das Motel hinunter, in dem ich eigentlich sein sollte. Der Fuchs schaut mir in die Augen, dann wendet er den Blick ab. Der Frosch ist nirgends zu sehen, und aus der Lobby habe ich keine Schreie gehört, die darauf hinweisen, dass er dort ist. Jede Stunde gehe ich nach unten und versuche, das Haus zu verlassen. Jedes Mal werde ich von wahnsinnigen Schmerzen überwältigt. Ich versuche sogar, aus dem
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