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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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paarmal tief durch, aber der Rauchgeruch hielt sich hartnäckig in meiner Nase.
    Plötzlich schwand die Dunkelheit und ich sah alles vor mir.
    Lange Fließbänder.
    Roboterarme, die sich jahrelang nicht bewegt hatten.
    Gigantische Maschinen. Bohrer. Pressen. Schleifmaschinen.
    Dazu der starke Geruch nach altem Schmieröl.
    Ich stand am Rand einer verlassenen Fabrikhalle. Durch Fenster oben im Dach konnte ich sehen, wie die untergehende Sonne die Wolken orange färbte.
    »Was jetzt?«, fragte ich, bekam aber keine Antwort.
    Ich fragte mich, ob er mit mir spielte oder vielleicht in Bewegung war.
    Ich ging an einem Fließband entlang, vorbei an bis zur Unkenntlichkeit verrosteten Autokarosserien, bei denen Räder und Motoren fehlten.
    Auf halbem Weg durch die Fabrik hielt ich an, setzte mich auf die Zinken eines kaputten Gabelstaplers und versuchte, ein wenig zu verschnaufen.
    Als ich die Hände auf meinen Bauch legte, kamen mir die Tränen.
    Zum Weinen hatte ich keine Zeit.
    Und für einen Zusammenbruch erst recht nicht.
    Meine Freunde brauchten mich.
    Nach nur zwei Minuten auf meinem Hintern fühlte ich mich steif, und meine Oberschenkelmuskeln waren bis zum Zerreißen gespannt. Ich humpelte weiter durch die Fabrikhalle und gelangte schließlich an eine Doppeltür. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob die Richtung stimmte.
    Ich öffnete sie trotzdem.
    Oh, perfekt. Schon wieder stockdunkel.
    Ich stolperte vorwärts. Gerade als ich mit dem rechten Fuß ins Leere trat, bekam ich ein Treppengeländer zu fassen.
    Ich hielt mich daran fest, folgte ihm Schritt für Schritt nach unten und erreichte den ersten Treppenabsatz.
    Von dort ging es zum zweiten und weiter nach unten. Bald hatte ich völlig die Orientierung verloren.
    Ich wollte schon umdrehen, doch dann sank ich beim nächsten Schritt etwa einen halben Meter tief in kaltes Wasser.

Donaldson
    Völlig atemlos und stöhnend vor Schmerzen kamen sie an der Doppeltür an, durch die Jack fünfzehn Minuten zuvor die Lagerhalle betreten hatte.
    »Ein Tastenfeld«, sagte Lucy. »Ich wette, die ist verschlossen.«
    Donaldson griff mit seinen klauenartigen Händen nach der Tür und zog sie auf.
    »Oder auch nicht.«
    Donaldson starrte einen hell beleuchteten Korridor hinunter. Ein Lächeln huschte über sein ramponiertes Gesicht.
    »Ist es das, was ich denke?«, fragte Lucy.
    »Oh ja.«
    Sie wankten ins Innere, schlossen die Tür hinter sich und bahnten sich einen Weg durch die von der Decke baumelnden Leichen.
    »Hier war jemand fleißig«, sagte Donaldson und zog die Beretta aus Tasche. Sie folgten dem Korridor, bis dieser einen Knick machte und in einen kürzeren Gang mündete.
    Der wiederum endete an einer schwarzen Metalltür, neben der sich ein weiteres Tastenfeld befand. Donaldson humpelte dorthin und versuchte, sie zu öffnen, aber sie war verschlossen.
    »Die hier ist offen!«, rief Lucy.
    Er drehte sich um und sah sie am anderen Ende des Flurs vor einer Tür stehen, die den Blick auf die Dunkelheit dahinter freigab.

Herb
    Ein paar Minuten nachdem Luther ihn in einen kalten Raum gebracht und eine Kette an seinem Halsband befestigt hatte, hörte Herb aus wenigen Metern Entfernung eine Frauenstimme.
    »Ist er weg?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte Herb. »Ich glaube, ich hab ihn weggehen hören.«
    Er hätte gerne den Faden aus seinen Augenlidern gezogen oder wenigstens an ihnen gerieben, um das schreckliche Jucken zu beenden, aber seine Hände waren immer noch auf den Rücken gefesselt.
    »Hat er Ihnen auch die Augen ausgestochen?«
    Herb schauderte. Wer auch immer diese Frau war, Luther hatte ihr nicht die Wahl gelassen, sich die Augenlider zunähen zu lassen.
    »Ich heiße Herb Benedict. Ich bin ein Polizist aus Chicago. Wer sind Sie?«
    »Christine. Christine Ogawa.«
    »Wissen Sie, wo wir sind, Christine?«
    »Dieser Mann, er hat uns mitsamt unseres Busses entführt. Wir sind irgendwo in Michigan. Sind Ihre Kollegen unterwegs?«
    »Ich weiß nicht. Wie viele Leute waren in dem Bus?«
    »Über vierzig. Aber …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Aber was?«
    »Nicht alle haben überlebt.«
    Herb hörte die Frau weinen, wusste aber nicht, wie er sie trösten sollte.
    »Warum macht er das?«, brachte sie schließlich hervor.
    »Er ist verrückt.«
    »Bevor er mir … Sie wissen schon … die Augen ausgestochen hat, hat er mich gefragt, wie viel ich wiege. Ich glaube, deswegen hat er mich nicht sofort umgebracht, sondern hier

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