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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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ich.
    »Meine Schulter … ich glaube, sie ist ausgerenkt. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier unten bin. Haben Sie Wasser?«
    Ich schüttelte den Kopf. Seine Frage machte mir bewusst, dass ich selbst großen Durst hatte. »Wie heißen Sie?«
    »Steve.«
    Als ich ihn mir genauer ansah, kam mir der Gedanke, dass bisher keiner dieser armen Schweine, die mir in den verschiedenen Kreisen der Hölle begegnet waren, überlebt hatte. Luther wollte nicht, dass ich sie rettete. Er wollte vielmehr, dass ich dabei zusah, wie sie leiden und sterben mussten. Aber Steve trug kein Halsband. Ich hoffte, das war ein gutes Zeichen.
    »Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen, Steve. Aber erst muss ich herausfinden, wie wir hier rauskommen. Irgendwo müsste es eine Tür und ein Tastenfeld geben.« Ich erhob mich.
    Tränen glänzten in seinen Augen. »Wenn sie hier raus wollen, müssen Sie mich töten.«
    »Was reden Sie da?«
    »Sie müssen mich töten.«
    »Das werde ich nicht tun, Steve.«
    »Hinter mir hängt eine Bogensäge an einem Nagel.«
    »Steve …«
    »Sie verstehen mich nicht … wenn Sie’s nicht tun, wird er mich zu Tode foltern. Ich habe bereits mit seiner Maschine Bekanntschaft gemacht. Ein zweites Mal halte ich das nicht aus.«
    »Hören Sie mir zu …«
    »Schneiden Sie mir die Kehle durch, und dann …«, er machte eine Kopfbewegung, »… können Sie … können Sie die Tür hinter mir öffnen.«
    Ich konnte den Umriss der rostigen Tür ausmachen, an die er gekettet war. Der Griff befand sich nahe an seiner Hüfte.
    Luther wollte nicht, dass ich Steve einfach nur tötete. Seine Hände waren an beiden Seiten des Türrahmens befestigt und seine Füße am unteren Rand der Tür selbst. Die Tür ließ sich nur öffnen, wenn ich Steves Arme und Beine abhackte.
    »Kommt gar nicht infrage«, sagte ich und trat einen Schritt zurück.
    »Bitte, Jack. Ich …«
    »Nein!«
    »… hab das verdient.«
    »Das haben Sie nicht. Keiner hat so was verdient.«
    Er stand am Rand eines Nervenzusammenbruchs und heulte los. »Ich habe einen Mann umgebracht«, schluchzte er. »Seit drei Jahren trag ich das mit mir herum, und jetzt sage ich Ihnen, ich
will
es so! Ich hab schon tausendmal an Selbstmord gedacht, hatte aber nie den Mut dazu.«
    »Also ich werde es nicht tun, Steve. Das kann ich nicht.«
    »Ist Ihnen klar, was Luther mit mir machen wird?«
    Ich hatte bereits getötet. Aber selbst bei einem abgrundtief bösen Menschen wie Alex Kork war es mir nicht leichtgefallen, abzudrücken und damit zu leben. Erst recht könnte ich niemals einen wehrlosen, unbewaffneten, an eine Wand geketteten Mann umbringen, egal was er angestellt hatte, egal wie verzweifelt er mich anflehte, sein Leben zu beenden.
    »Bitte, Jack!«
    »Seien Sie einen Augenblick still und lassen Sie mich überlegen.«
    Ich trat näher an ihn heran und musterte die Tür. Sie hatte keine Scharniere, ging also nach innen auf. Ich drückte mit einiger Anstrengung dagegen. Sie bewegte sich ein paar Zentimeter. Die Kette um Steves Fußknöchel spannte sich.
    »Können Sie rückwärts hüpfen?«
    »Ich hab kein Gefühl mehr in meinen Füßen. Sie sind so kalt.«
    »Ich mach das nicht, Luther«, sagte ich.
    In meinem Ohrhörer vernahm ich keine Antwort. Ich blickte mich nach einer Kamera um und sah eine an der Wand, in etwa drei Metern Höhe. Ich winkte ihr zu.
    »Hören Sie mich, Sie Arschloch? Ich werde das nicht …«
    Plötzlich ging die Tür hinter Steve nach innen auf und riss ihn mit. Er schrie, als sein ganzes Gewicht an seinen Armen hing und seine Beine zurückgezogen wurden. Obwohl die Tür sich nur ein paar Zentimeter weit öffnete, wand sich ein Arm durch den Spalt.
    Ein nackter, von Narben bedeckter Männerarm.
    Die Hand griff nach der Bogensäge an der Tür. Dann blickten zwei Augen durch die Öffnung.
    »Sieh mal einer an, Jack Daniels. Lang ist’s her.«
    Das verunstaltete Gesicht kannte ich nicht, aber dafür die Stimme. Diese Stimme würde ich nie vergessen. Ich hatte sie vor Jahren das erste Mal gehört. Damals an dieser Fernfahrerraststätte.
    Donaldson.
    »Ich träume schon seit Langem davon, Sie wiederzusehen, Jack. Und davon, Stücke von Ihrem Gesicht abzuschneiden und Sie damit zu füttern. Das Einzige, was mir jetzt noch im Weg steht, sind ein paar Arme und Beine.«
    Er schob die Säge durch den Türspalt und drückte die Schneidezähne auf Steves Handgelenk.
    Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren und das Baby in meinem Bauch trat wild

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