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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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nach unten. Dann setzte ich mich auf und schlüpfte mit den Armen aus meiner Windjacke.
    »Zerschneiden Sie meinen BH«, sagte ich. Er trat hinter mich, und ich spürte, wie das Messer durch den Stoff schnitt. Er entfernte den Sport-BH und hielt mir das Baby an die Brust.
    Die Schmerzen waren weg.
    Die Euphorie, die mich überkam, fühlte sich an, wie ich mir einen Schuss reines Heroin vorstellte.
    Ich schäumte über vor Freude und mir kamen die Tränen.
    »Ich lasse Sie eine Minute mit ihr allein«, sagte Luther.
    Ich sah ihn nicht hinausgehen, weil ich meine Augen nicht von diesem wunderschönen und wertvollen Engel in meinen Armen abwenden konnte. Sie starrte schreiend und mit rotem Gesicht zu mir empor und wirkte dabei wütend, hilflos und mürrisch.
    »Hallo Kleines«, sagte ich mit einer Stimme, die viel zu hoch und zuckersüß für mich klang.
    Sie hörte auf zu schreien und öffnete die Augen.
    Phins hellblaue Augen.
    Unglaublich.
    Meine Stimme hatte sie beruhigt. Sie hatte sie erkannt.
    Ich hob sie an meine Brust. Sie brauchte einen Augenblick, aber dann fand sie meine Brustwarze.
    »Bekommst du etwas?«, fragte ich und hielt ihren winzigen Kopf.
    Sie fing an zu nuckeln.
    »Meine Güte, du kannst das wirklich gut, oder? Ja, das kannst du.«
    Ich griff nach der Windjacke und deckte sie damit zu.
    Sie starrte zu mir hoch, während sie an meiner Brust nuckelte.
    Ich empfand ein intensives Glücksgefühl wie nie zuvor.
    Pure Euphorie.
    Das Baby nuckelte und ich starrte sie an und strich ihr mit dem Finger übers Gesicht.
    »Ich bin deine Mutter«, sagte ich. »Aber ich wette, das weißt du schon, oder?«
    Als ich sie hielt, wurde mir mit einem Mal bewusst, dass nichts mehr so sein würde wie bisher, selbst wenn wir das hier heil überstanden und ich mit ihr und Phin nach Chicago zurückkehrte. Und es war nicht der Schrecken des vergangenen Tages, der alles veränderte, sondern sie. In nur fünf Minuten war dieses winzige Etwas in mein Leben getreten, hatte in meine Augen gestarrt und eine andere Frau aus mir gemacht. Wovor hatte ich die ganze Zeit Angst gehabt? Davor, meine Identität zu verlieren? Oder meine Freiheit und Ungebundenheit? Wie dumm und egoistisch war ich nur gewesen. Jetzt, wo ich mein Kind in den Armen hielt und ihr zusah, wie sie an meiner Brust saugte, waren alle Zweifel und Ängste wie weggeblasen.
    Ich verliebte mich sofort und unwiderruflich in sie.

Phin
    McGlade hackte mit dem metallenen Stuhlbein mit aller Kraft auf die Betonwand ein, aber Phin wünschte, er würde einen Moment zur Seite treten.
    Harrys nasse Hose trieb Phin Tränen in die Augen.
    »Lass mich weitermachen, Harry.«
    »Bist du sicher? Wir sind fast durch.«
    »Ich mach den Rest. Du kannst ’ne Minute Pause machen.« Phin deutete beiläufig auf die andere Seite des Flurs. »Setz dich dort auf die Treppe. Du hast es verdient.«
    »Danke, Kumpel.«
    McGlade ging weg, hielt dann aber inne und drehte sich um. »Du willst mich doch nicht etwa loswerden, weil ich nach Pisse stinke, oder?«
    Phin schüttelte hastig den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich rieche nichts.«
    »Bist du sicher? Sogar meine Socken sind durchnässt.«
    »Mit dir ist alles in Ordnung«, log Phin und wandte sich schleunigst ab, um den Gestank nicht in die Nase zu bekommen.
    Harry ging weg und machte bei jedem Schritt ein schwappendes, klatschendes Geräusch. Endlich konnte Phin atmen und machte sich mit erneutem Eifer an die Arbeit. Dreißig Sekunden später hatte er das Mauerwerk um das Schloss herausgebrochen. Ein schneller Tritt und die Tür sprang krachend auf.
    »Man kann doch Lederschuhe waschen, oder?«, sagte Harry. »Die sind von Bruno Magli.«
    »Von Bruno Magli? Ich dachte, das sind deine.«
    »Sehr witzig. Sie haben mich fünfhundert Dollar gekostet. Aber wenn sie nach Pisse riechen, reduziert das ihr Sex-Appeal beträchtlich.«
    »Können wir mal fünf Minuten nicht über Pisse reden?«
    »Tut mir leid«, sagte Harry. »Ich wollte dir nicht ans Bein pinkeln.«
    Phin schritt durch die Tür voraus in einen unbeleuchteten Gang. Sein Kopf tat von dem Treppensturz immer noch weh und sein rechtes Knie fing zu schwellen an. Er tastete mit einer Hand an der Wand entlang, hielt die andere ausgestreckt und ging so schnell, wie es die Umstände erlaubten. Die Wände waren aus kaltem Beton. Phin fragte sich nicht zum ersten Mal, wo sie sich befanden. In einer leer stehenden, verlassenen Fabrikoder Lagerhalle? Er hielt einen Augenblick inne und lauschte.

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