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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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noch in Ihrem Bauch war. Aber jetzt bekommt sie die volle Ladung. Wenn Sie sie mir geben, bringe ich sie in Sicherheit.«
    »Fahren Sie zur Hölle.« Ich drückte meine Tochter noch fester an mich.
    »Noch fünfundsiebzig Sekunden, Jack.«
    »Bitte, Luther. Nicht einmal Sie …«
    »Nicht einmal ich was?«
    »Nicht einmal Sie würden mir oder ihr so etwas antun.«
    »Sie haben ja keine Ahnung, wozu ich fähig bin.«
    Ich brachte es nicht fertig. Ich konnte sie ihm unmöglich geben.
    Aber die Vorstellung, sie in meinen Armen sterben zu sehen, war einfach zu viel.
    »Wann sehe ich sie wieder?«
    »Bald.«
    »Wann?«
    »Noch fünfundfünfzig Sekunden, Jack.« Er beugte sich vor und breitete die Arme aus.
    »Das kann ich nicht«, schrie ich.
    »Geben Sie sie mir, oder sie stirbt.«
    »Ich habe ihr noch nicht einmal einen Namen gegeben!«
    »Geben Sie sie mir, oder sie stirbt.«
    Ich schloss die Augen. Luther redete immer noch, aber ich hörte nicht mehr hin. Stattdessen ließ ich meine Hand zwanzig Sekunden lang auf ihrem Rücken ruhen und spürte, wie er sich kaum merkbar hob und senkte, während das Kind friedlich schlief.
    Wie konnte das nur passieren?
    »Noch dreißig Sekunden, Jack.«
    Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Deine Mama hat dich so lieb. Ich werde dich bald wiedersehen.«
    Dann öffnete ich die Augen und konnte wegen der Tränen nichts sehen. Ich sagte: »Sie müssen dafür sorgen, dass sie etwas zu essen bekommt und warm bleibt.«
    Ich spürte, wie Luther sie mir wegnahm.
    Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und sah ihm zu, wie er mit ihr auf die offene Tür zuging.
    Als er dort ankam, sagte er: »Jack, Ihnen ist doch wohl klar, dass Sie Ihr Kind nie wiedersehen werden, oder?«
    Ich schrie wie ein tödlich verwundetes Tier, als er die Tür hinter sich schloss – als hätte mir jemand das Herz aus der Brust gerissen.
    Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, hätte ich den Lauf in den Mund gesteckt und abgedrückt.
    Die menschliche Psyche ist nicht dazu geschaffen, so viel Schmerz zu ertragen.
    Dann hörte ich ein Zischen, als das Gas aus dem Zylinder strömte und sich im Raum ausbreitete.
    In dem Raum, wo Luther meine Seele zerstört hatte.

Herb
    »Phin? Bist du das?«
    »Ich bin hier, Herb.«
    Herb spürte, wie Phin sich neben ihn kniete. »Blutest du?«
    »Ein bisschen. Hab einen Schuss ins Bein bekommen. Glatter Durchschuss.«
    »Aber …«
    »Das meiste von diesem Blut stammt nicht von mir.« Ehe Phin die falschen Schlüsse zog, fügte Herb schnell hinzu: »Auch nicht von Jack. Luther hat sie durch die Tür dort hinten weggebracht.«
    »Bis du das, du Fettsack?« McGlade kam mit schwappenden Schritten herein. »Mann, du bist ein Anblick für wunde Augen. Ups. Verdammt, tut mir leid, Herb. Er hat sie dir zugenäht?«
    Herb spürte Phins Hand an seinem Kinn. »Warum?«, fragte Phin.
    »Das hier ist Dantes
Inferno
«, sagte Herb. »Mich hat Luther dazu verurteilt, im dritten Kreis, wo die Maßlosen büßen müssen, blind in menschlichen Exkrementen zu hocken.«
    »Nett«, sagte Harry. »Phin und ich waren im Kreis der Gewalt. Wir mussten uns gegenseitig Elektroschocks verpassen. Dann sind wir eine Treppe runtergefallen und durch eine Jauchegrube gewatet. Eine braune Schlange hat mich angegriffen, aber in Wirklichkeit war es keine Schlange, sondern ein Stück Scheiße. Soll ich dir mit deinen Augen helfen?«
    Herb seufzte. Er konnte McGlade nicht ausstehen, und obwohl dieser erst vor ein paar Sekunden eingetroffen war, hatteHerb von ihm bereits die Schnauze voll. »Wie denn? Hast du ’ne Schere dabei?«
    »Soll ich dir jetzt helfen oder nicht?«
    An den meisten Tagen kostete es Herb eine Riesenanstrengung, Harry überhaupt zu ertragen. Aber in diesem Augenblick konnte er jegliche Hilfe brauchen.
    »Wie willst du’s anstellen, McGlade?«
    »Halt still.«
    Herb spürte, wie Harry seinen Kopf in beide Hände nahm und sich vorbeugte, als wolle er ihn küssen. Aber stattdessen brachte er seinen Mund an Herbs rechtes Auge.
    »Verdammt, McGlade, was machst du da?«
    »Mach dir mal keine Sorgen. Ich kann mit meinen Zähnen einen Knoten in einen Kirschenstiel machen. Darin bin ich gut. Halt still.«
    »Igitt. Harry …«
    »Du darfst dich nicht bewegen. Ich will dir nicht das Augenlid abbeißen.«
    Es war ekelhaft und auf eine bizarre Art und Weise intim, aber es tat wirklich nicht weh. Harry war nach ein paar Sekunden fertig und sagte: »Schon erledigt. Hab den Knoten abgebissen. Lass mich das andere Auge

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