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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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anderen Menschen aus Ihnen machen.«
    »Nein, Luther. Er wird mich vielleicht töten, aber ändern wird er mich nicht.«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Hören Sie mir mal zu, Jack. Wenn Sie glauben, der Tod könnte Sie erlösen, dann haben Sie sich gewaltig geirrt. Glauben Sie wirklich, ich würde es zulassen, dass Sie sterben? Bei allem, was Sie bisher hier durchgemacht haben, war ich zu jeder Zeit bereit, einzugreifen und Ihnen zu helfen. Sie werden nicht sterben, Jack, so sehr Sie sich auch danach sehnen mögen. Sie werden sogar besessen sein von dem Wunsch, dass der Tod Sie erlöst. Und die Tatsache, dass dies nicht geschehen wird, wird die Veränderung in Ihnen auslösen.«
    Die Furcht vor dem unmittelbar bevorstehenden Schmerz ließ Übelkeit in mir aufsteigen.
    »Sie sind wie ein Pferd, Jack. Wild und ungezähmt. Voller Potenzial. Aber man hat Sie noch nicht zugeritten. Ich muss Sie vollkommen zerstören und danach wieder aufbauen. Ihre Stärke, die ich so sehr an Ihnen mag, wird Ihnen helfen, das zu überstehen. Sie werden sogar noch stärker. Gleichzeitig werden Ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten vollkommen zerstört. Das kann Tage dauern, aber auch Wochen oder gar Monate. Wie dem auch sei, ich habe alle Zeit der Welt, und niemand weiß, dass Sie hier sind. Ich werde Harry, Herb und Phin holen, und Sie dürfen dann zusehen, wie sie leiden müssen. Vielleicht zwinge ich Sie sogar dazu, Ihren Freunden wehzutun oder sie zu töten. Wir sind alle nur bis zu einem gewissen Grad belastbar, Jack. Das gilt auch für Sie.«
    Ich starrte ihn trotzig an. »Sie werden mich vielleicht brechen, aber ich werde nie so werden wie Sie.«
    »Sie sind bereits wie ich. Je eher Sie das akzeptieren, desto leichter wird es. Wenn Sie das alles hinter sich haben, werden Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben begreifen, was wahres Glück bedeutet. Sie haben sich Ihr ganzes Leben lang elend gefühlt, stimmt’s?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
    »Mal ganz ehrlich, Jack. Sie schwelgen in Selbsthass. Alle Ihre Beziehungen gehen schief. Haben Sie sich schon mal überlegt, warum so viele Menschen in Ihrem Umfeld zu Schaden kommen? Kann es sein, dass Sie das sogar insgeheim wollen?«
    »Das ist doch völliger Quatsch.«
    »Und trotzdem machen Sie immer so weiter. Ihre Freunde und Verwandten werden verletzt oder sterben. Das muss daran liegen, dass Sie es so wollen. Und sagen Sie mir eins: Wann fühlen Sie sich am lebendigsten? Wann ist Ihr Selbstwertgefühl auf dem Höhepunkt? Ist das nicht immer dann der Fall, wenn Sie hinter einem Psychopathen her sind und sich der Beute nähern? Deswegen sind Sie doch überhaupt erst Polizistin geworden, oder nicht?«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Luther drehte meine Lebensumstände so hin, dass sie in sein krankes Weltbild passten.
    »Sie unterwerfen sich den Beschränkungen einer Gesellschaft, in der Sie ein Alpha-Raubtier sind, und davon müssen Sie sich befreien. Wollen Sie nicht endlich mal glücklich sein? Gut schlafen, anstatt sich die ganze Nacht schlaflos hin und her zu wälzen? Sie haben einen Willen, und je eher Sie lernen, ihm zu folgen, desto eher werden Sie Perfektion erlangen. Aber jetzt habe ich genug geredet. Fangen wir an.«
    Luther trat hinter den Wagen und berührte das Schaltpult.
    »Leider haben Phin und Harry dafür gesorgt, dass die Elektroschocks nicht mehr funktionieren. Ich habe die Szene auf Video festgehalten und werde sie Ihnen später zeigen. Die beiden mussten ganz schön leiden. Aber das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was ich mit Ihnen machen werde. Zum Glück hat dieser Stuhl noch eine Reihe anderer Funktionen, um Schmerz zu verursachen. Warum fangen wir beispielsweise nicht mit Abschürfungen an?«
    »Ich habe gerade eine natürliche Geburt hinter mir, Sie Arschloch. Sie können mir also gar nicht wehtun.«
    Luther verzog das Gesicht zu einem hässlichen Lächeln. »Oh doch, das kann ich sehr wohl.«
    Ich schloss die Augen.
    Sah Phins Gesicht vor mir und das meiner Tochter.
    Und mein Leben.
    Ich hatte kein perfektes Leben geführt, so viel stand fest. Aber mit dem Psycho-Geschwafel, das Luther in seinem unausgegorenen Versuch, mich zu analysieren, vom Stapel gelassen hatte, lag er voll daneben.
    Natürlich stimmte es, dass ich unzufrieden war, zu viel arbeitete und zu wenig Zeit für mich selbst hatte. Aber das waren meine eigenen Entscheidungen und meine eigenen Fehler. Und langsam, aber sicher lernte ich aus
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