Kite
Vielzahl von Usern erstellte Beitrag mehr Informationen, als ich selbst in einer Stunde Surfen im Internet gefunden hätte.
Ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück und fing an zu lesen. Dabei erfuhr ich mehr über den mysteriösesten Krimiautor der Welt, als mir lieb war.
Reginald Marquette
31. März, 12:15 Uhr
»Ich fahre«, sagte Rob Siders, als sie das Lewisohn-Gebäude verließen und auf dem Gehsteig auf einen weißen Mercedes-Kleintransporter mit getönten Fensterscheiben zugingen, der am Straßenrand parkte. »Haben Sie ein Lieblingslokal?«
»Es gibt da ein ausgezeichnetes Sushi-Restaurant an der State Street, nur ein paar Kilometer von hier. Wie wär’s, wenn Sie mir einfach nachfahren? Das wäre wohl am besten.«
»Danke, aber ich muss sowieso wieder hierher zurück. Ich wohne nämlich im Blackstone.«
Siders ging vorne um den Van herum. Marquette, noch auf dem Gehsteig, zögerte einen Moment. Er wusste natürlich, dass seine Bedenken dumm und irrational waren, aber da war immer noch diese Stimme im Hinterkopf, und die fragte, warum der Cheflektor von Ancient Publishing ein Fahrzeug fuhr, das er und seine Frau oft scherzhaft als »Serienmörder-Karre« bezeichneten. Ein weißer, unauffälliger Kleintransporter, in dessen Inneren sich womöglich allerhand Mord- und Folterwerkzeuge befanden.
Das war hier natürlich nicht der Fall, aber ein kleiner Teil von ihm wurde nervös bei dem Gedanken, einzusteigen.
Die Fahrertür wurde mit lautem Knall zugeschlagen.
Der Motor erwachte dröhnend zum Leben.
Was soll’s. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Er streckte die Hand nach dem Türgriff aus und zog daran.
Als er auf dem Beifahrersitz Platz nahm, drang ein seltsamerGeruch aus dem Hinterteil des Vans in seine Nase – etwas Beißendes, wie Fensterreiniger oder Ammoniak.
»Schnallen Sie sich bitte an«, sagte Siders mit einem Lächeln im Gesicht.
Marquette zog sich den Gurt über die Brust und ließ die Schnalle einrasten.
Siders schaltete auf Drive und fuhr los.
Marquette starrte durch die dunkel getönte Scheibe nach draußen und sah im Vorbeifahren mehrere Gruppen von Studenten, die im Grant Park herumhingen.
Es war ein typischer Frühlingstag – feucht und kalt. Heute war der erste April und das Gras und die Bäume zeigten ihr erstes Grün. Diese Jahreszeit hatte ihm schon immer gefallen – Lehrveranstaltungen gingen ihrem Ende entgegen und der Sommer war nicht mehr weit.
»Wie lange gibt es eigentlich
Ancient Publishing
schon?«, fragte er.
»Seit etwa zwei Jahren. Dürfte ich mal Ihr Handy benutzen?«
Ein bisschen komisch, aber na ja. »Äh, selbstverständlich.«
Marquette holte sein HTC Thunderbolt aus der Tasche und reichte es Siders.
»Haben Sie vor, sich selbst so ein Gerät anzuschaffen?«, fragte er.
»Nein, von diesem Droid-Betriebssystem halte ich nicht viel. Bin eher ein iPhone-Typ.«
Siders ließ das Fenster auf seiner Seite zur Hälfte herunter. Marquette sah ihm erstaunt zu, als er das Handy hinauswarf und das Fenster wieder schloss.
»Was zum Teufel soll das denn?«, sagte Marquette.
Siders dunkle Augen blieben hinter der Sonnenbrille verborgen. Er hielt seinen Blick auf die Fahrbahn gerichtet und fuhr wortlos weiter.
»Halten Sie sofort an. Ich will hier raus.«
Marquettes Hand fuhr an die Schnalle seines Sitzgurts, fand dort aber keinen Druckknopf, sondern nur ein glattes, rechteckiges Stück Metall mit einem Loch für einen kleinen Inbusschlüssel. Er zerrte am Gurt, aber der ließ sich keinen Millimeter bewegen.
Marquette blickte zur Tür – kein Griff, und auch keine Vorrichtung zum Öffnen des Fensters.
Die Panik traf ihn mit der Wucht eines Güterzuges.
Er wandte sich Siders zu.
»Was wollen Sie von mir?«
»Sagen wir’s mal so: Ihr Name gefällt mir.«
Der Mann grinste ihn spöttisch an, und Marquette bemerkte erst jetzt den schwarzen Vorhang, der die beiden Vordersitze vom hinteren Teil des Vans trennte.
»Sie wollen wissen, was sich dort hinten befindet?«, fragte Siders. »Nur zu. Schauen Sie sich’s ruhig an.«
Marquette schob den Vorhang beiseite. Im gleichen Augenblick drückte Siders auf einen Knopf an der Decke. Ein grelles Innenlicht beleuchtete den hinteren Teil des Fahrzeugs.
Dunkle Fensterscheiben.
Kein Teppichbelag.
Die Decke und die Seitenwände waren mit schwarzem, schalldichtem Schaumstoff verkleidet.
In der Mitte des weißen Metallbodens konnte Marquette ein Abflussloch sehen, in dem ein großer Gummistopfen
Weitere Kostenlose Bücher