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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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durchscheuerte – und genau so fühlte es sich an –, würde sie verbluten.
    Aus ihrer Kehle drang ein Wimmern, laut genug, dass Henry es hören konnte. Beinahe hoffte sie, dass er seine Drohung wahr machte.
    Lass mich fallen. Lass mich sterben. Wenigstens habe ich dann keine Schmerzen mehr.
    Doch dann berührten ihre Zehen den Boden und sie landete auf ihrem Hintern – oder vielmehr dem, was davon noch übrig war. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie verlor das Bewusstsein.

    Als sie wieder zu sich kam, lag Donaldson neben ihr auf dem Boden. Er stöhnte und krümmte sich vor Schmerz.
    »Ich brauche ein paar Pillen«, stöhnte er.
    »Wo ist Henry?«
    »Er holt seinen Truck. Gib mir endlich diese beschissenen Pillen.«
    Lucy griff in die vordere Tasche ihres Kleids.
    Ach du Scheiße.
    »Donaldson, sie sind weg.«
    »Weg?«, kreischte er und kroch auf sie zu. »Du willst mich wohl verarschen, du Schlampe, was? Du willst sie alle für dich behalten.«
    »Sie sind wohl rausgefallen. Hilf mir beim Suchen.«
    Lucy hörte das Dröhnen eines sich nähernden Fahrzeugs.
    »Du blöde Kuh, ich brauch meine Pillen, verdammt noch mal.«
    »Dann hilf mir beim Suchen!«, zischte sie und tastete zwischen kalten Grashalmen herum.
    »Wenn du sie verloren hast, bring ich dich um.«
    Da. Sie sah etwas Weißes – Klopapier – auf dem Boden vor dem Gebäude.
    Scheinwerfer näherten sich. Das musste Henry sein, oder vielleicht ein Wärter auf Patrouille.
    »Die Pflaster hab ich gefunden«, sagte Donaldson. »Aber nicht die Pillen. Wir müssen sie unbedingt finden.«
    Auf der Straße hinter ihnen kam ein Truck heran.
    Henry sprach durch das offene Fenster zu ihnen. »Los geht’s. Legt euch hinten unter die Plane.«
    »Einen Moment noch«, sagte Lucy leise und kroch auf das Klopapier zu.
    »Ich kann auch ohne euch fahren.«
    Sie erreichte das Gebäude, grabschte das Päckchen mit den Pillen – wobei sie nicht erkennen konnte, ob es das Norco oder das Lorazepam war – und stopfte es in ihre Tasche.
    Nur mit äußerster Mühe schaffte sie es, aufzustehen.
    Donaldson stieg gerade auf die Ladefläche des Pick-ups.
    Lucy wischte sich die Tränen aus ihrem Auge und folgte ihm.

    Lucy lag zusammengekrümmt unter der Plane auf der Ladefläche des Trucks. Als dieser losfuhr, biss sie ihre wenigen noch vorhandenen Zähne zusammen. Sie spürte jede Unebenheit und jedes Rütteln am ganzen Körper. Es war noch schlimmer als das Abseilmanöver. Plötzlich hörte sie ein Jammern, das den Motorenlärm übertönte. Es war Donaldson, der vor Schmerz weinte.
    Als sie den Wachtposten am Ausgang der Anstalt erreichten, hielt Lucy den Atem an. Wenn der Mann unter der Plane nachsah, wäre ihre Flucht zu Ende.
    »Guten Abend, Henry.«
    »Hey Ron.«
    »Hast du da hinten was unter der Plane?«
    »Nee. Kannst gern nachsehen.«
    Lucy hörte, wie sich Schritte der Heckklappe näherten. Als die Plane angehoben wurde, machte sie sich fast in die Hose.
    »Alles in Ordnung«, sagte Ron und sah dabei Lucy an. »Du kannst weiterfahren.«
    Henrys Bestechungsgeld hatte offenbar seine Wirkung nicht verfehlt. Das Tor ging auf und sie verließen das Anstaltsgelände in die Freiheit. Aber noch hatten sie es nicht geschafft. Lucy wusste, dass Henry sie immer noch hereinlegen konnte. Von dem Geld, das Donaldson ihm überwiesen hatte, hätte er ihnen ein Auto besorgen sollen. Aber vielleicht hatte er es einfach für sich behalten und hatte nun vor, sie irgendwo am Straßenrand abzusetzen oder schlimmstenfalls umzubringen. Denn wenn er sie einfach nur absetzte und sie dann erwischt wurden, konnten sie Henry wegen Beihilfe zur Flucht drankriegen.
    Wäre Lucy an seiner Stelle, so hätte sie beide getötet.
    Der Truck blieb stehen, und sie hörte, wie die Fahrertür aufging.
    Dies war der Augenblick der Wahrheit. Entweder ging ihr Plan tadellos auf oder sie würden als Opfer eines Doppelmords enden.
    Beide Szenarien würden Erleichterung bringen.
    Die Plane wurde angehoben und Henry starrte sie grimmig an. »Die Fahrt ist zu Ende. Steigt aus.«
    Lucy robbte unter Schmerzen die Ladefläche entlang und richtete sich auf. Sie befanden sich in einer bewaldeten Gegend. Vermutlich ein Naturschutzgebiet. Vor ihnen stand ein alter, verbeulter Monte Carlo. Er war schwarz und mindestens zehn Jahre alt. Außerdem fehlten die Radkappen und ein Kotflügel auf der rechten Seite.
    »Ist das unser Auto?«
    Im Mondschein konnte Lucy in Donaldsons vernarbtem Gesicht Tränen

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