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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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trieb, überlagerte einen anderen, weitaus schlimmeren Geruch nach etwas Verfaultem – verdorbenes Gemüse oder Fleisch, oder vielleicht auch beides.
    Nachdem meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, fielen mir die Babybilder an der Wand auf – Fotos, die einen süßen kleinen Jungen zeigten. Auf vielen dieser Fotos konnte man eine attraktive junge Blondine sehen, die das Baby in ihren Armen hielt, ein strahlendes Lächeln in ihrem Gesicht. Violet hatte zwar immer noch blonde Haare, besaß aber keine Ähnlichkeit mehr mit der Frau auf diesen Bildern. Ich fragte mich, ob es ihr wehtat, die Fotos anzusehen.
    Violet ging mit vorsichtigen Schritten rückwärts auf die Couch zu. Als sie sich in die Polster fallen ließ, knarrte das Gestell.
    »Setzen Sie sich.« Violet deutete auf einen Ledersessel, nahm die Fernbedienung vom Sofa und stellte die Seifenoper auf stumm. Auf dem Boden zu ihren Füßen lagen Chipstüten und genug Bierflaschen herum, dass ich mich fragte, ob sie Brauereiaktien besaß. Ich merkte, wie ich etwas unter meinen Turnschuhen zertrat – Mäusedreck.
    »Sie haben es hübsch hier, Miss King«, sagte McGlade.
    »Was wollen Sie von mir?«
    Mein nackter Arm berührte die Couch, die so verraucht war,dass ich das Nikotin praktisch durch meine Poren einatmete. Ich rang mir ein freundliches Lächeln ab.
    »Soviel ich weiß, waren Sie Polizistin, als Sie noch in North Carolina wohnten.«
    »Mordermittlerin. Aber das ist schon lange her.«
    »Gab es einen bestimmten Grund, warum Sie aufgehört haben?«, fragte ich.
    »Ich bekomme Invalidenrente.«
    »Hat das was mit Ihrem Übergewicht zu tun?«, warf McGlade ein.
    Violet bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Ich wurde bei einem Polizeieinsatz verletzt.«
    Auf dem zugemüllten Tisch lag ein Toyota-Schlüsselanhänger.
    »Von der Invalidenrente kann man kaum leben«, sagte ich. »Aber Sie haben ja noch einen Nebenverdienst.«
    Ich schwieg und hoffte, dass sie mehr dazu sagen würde.
    Aber das tat sie nicht.
    »Woher kennen Sie Andrew Z. Thomas?«, fragte ich weiter.
    »Na ja, es ist ja schließlich kein Geheimnis, dass ich vor acht Jahren in einem Mordfall ermittelt habe.«
    »Bei dem er der Hauptverdächtige war?«
    »Richtig.«
    »Und diese Ermittlung führte Sie auf die Outer Banks vor der Küste von North Carolina?«, fragte ich in Anlehnung an die Informationen aus dem Wikipedia-Artikel.
    »Ja.«
    »Was hat die Ermittlung ergeben?«
    Violet stieß einen langen Seufzer aus. »Über das, was damals auf Ocracoke Island passiert ist, wurde schon eine Menge geschrieben. Ich bin sicher, Sie finden in Büchern und im Internet sämtliche Antworten auf Ihre Fragen.«
    »Über mich wurde auch schon eine Menge geschrieben.« Ichlächelte. »Aber dabei erfährt man nicht immer die ganze Geschichte oder sogar die Wahrheit.«
    »Für mich ist das Thema erledigt.«
    »Haben Sie noch Kontakt zu Andrew?«
    »Ich hab ihn ewig nicht mehr gesehen.«
    Mein Blick fiel auf ein Foto an der Wand.
    Stöhnend erhob ich mich und ging um die Couch herum. Violets Blick folgte mir mit unverhohlenem Misstrauen.
    Ich langte nach oben, nahm das eingerahmte Foto vom Nagel und musterte es eine Weile, bevor ich es Violet zeigte.
    »Wann wurde das aufgenommen?«, fragte ich.
    Das Bild zeigte eine jüngere, bedeutend schlankere und glücklichere Violet Arm in Arm mit Andrew Thomas. Im verschwommenen Hintergrund erhob sich eine schneebedeckte Bergkette. Ich erkannte Violet einzig und allein an ihren grünen Augen. Ansonsten gab es nichts, was die Frau auf dem Foto und die Frau auf der Couch gemeinsam hatten.
    »Vor sieben Jahren«, sagte Violet. Sie beugte sich mit ihrer massigen Körperfülle nach vorne, nahm eine halb volle Bierflasche vom Tisch und führte sie sich an die Lippen.
    »Sie hatten mit Mr Thomas eine Beziehung.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Auf dem Bild sehen Sie wie ein Paar aus.«
    »Wir standen uns eine Zeit lang sehr nahe. Aber das ist schon lange her.«
    »Aber anscheinend steht er Ihnen immer noch nahe genug, dass seine Agentin Ihnen seine Tantiemen schickt. Soviel ich weiß, verkaufen seine Bücher sich seit der Kontroverse sehr gut.«
    Violet zuckte mit den Schultern. Als ehemalige Polizistin wusste sie, wie das Spiel ablief, und gab mir nur die Informationen, die ich bereits kannte. Etwas aus ihr herauszubekommen, war keine leichte Aufgabe.
    Ich fragte: »Wo wurde das Foto gemacht?«
    Violet lächelte schwach. »Im Paradies?«
    »Und wo ist

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