Kite
etwas nicht mit seiner Haut. Roe blickte nach unten.
Was zum Teufel?
Siders trug Gummihandschuhe.
»Mr Roe, ich freue mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
»Wieso tragen Sie Handschuhe, Mr Siders?« Roe bemühte sich um einen neutralen Ton, der weder unhöflich noch neugierig wirkte. Aber seltsam war es schon.
»Ich will Sie nicht erschrecken.«
»Das tun Sie doch nicht.«
»Ich leide unter Schuppenflechte. Es ist nicht ansteckend, sieht aber nicht gerade schön aus.«
»Verstehe. Hat Kelly Ihnen einen Kaffee oder ein Glas Wasser angeboten?«
»Ja, aber das ist nicht nötig. Ich komme gerade vom Mittagessen.«
»Schön, dann kommen Sie bitte in mein Büro.«
Siders nahm die schwarze Sporttasche, die er mitgebracht hatte – wahrscheinlich enthielt sie ein Musterexemplar, mit dem er Eindruck schinden wollte –, und Roe führte ihn durch den Flur an dem großen Büro vorbei, wo sich eine Anwaltsgehilfin und zwei angestellte Anwälte an ihren Schreibtischen abrackerten. Schließlich gelangten sie zu dem Raum, den er als sein Zuhause bezeichnete.
Roe stand im Türrahmen und bat seinen Besucher einzutreten.
»Hübsches Büro haben Sie da«, sagte Siders.
»Danke.«
Und er musste zugeben, dass es wirklich hübsch war – die Erkerfenster boten eine tolle Aussicht auf die Innenstadt von Chicago. Die Miete war der reine Horror, aber bei seinem Jahreseinkommen und der Produktivität seiner Kanzlei, deren Mitarbeiter er rücksichtslos verschliss, konnte er sich das leisten. Und alles deutete darauf hin, dass es auch in Zukunft so bleiben würde.
An den Wänden hingen keine Kunstwerke, sondern seine Zulassungen als Anwalt für die Bundesstaaten Illinois und Minnesota und das amerikanische Patent- und Markenamt, seinJura-Diplom von der Duke University, sein Diplom in Maschinenbau von der Iowa State University, diverse berufliche Auszeichnungen sowie reihenweise Titelblätter aller Patente, die er erfolgreich angemeldet hatte.
Wie die meisten Mandanten, die zum ersten Mal Roes Büro betraten, blieb auch Siders stehen und betrachtete ehrfürchtig die Zeugnisse und Urkunden.
»Beeindruckend«, sagte er und nickte dabei mit dem Kopf.
»Nehmen Sie doch bitte Platz, Rob.«
Roe knöpfte sein Jackett auf und ließ sich auf dem Ledersessel hinter seinem Schreibtisch nieder. Natürlich würde er dies nie zugeben, aber diese Besprechung diente lediglich dazu, sich den neuen Mandanten näher anzusehen. Er hatte bereits auf die Schnelle ein paar Nachforschungen angestellt und einen seiner Mitarbeiter einen Bericht über die letzten zwanzig Patente im Bereich der Glasschneide-Technologie ausarbeiten lassen, um sich einen Überblick über den neuesten Stand der Technik zu verschaffen. Die Sache sah vielversprechend aus. Es gab zwar ein paar Hürden, aber mit der Hilfe eines Staranwalts wie ihm hatte Siders durchaus eine Chance, seine Erfindung erfolgreich auf den Markt zu bringen.
»Könnten Sie bitte die Tür schließen?«, bat Siders.
Die Türen in Roes Kanzlei standen gewöhnlich offen – nicht weil er damit eine lockere Atmosphäre schaffen wollte, sondern weil er dazu neigte, jederzeit unangemeldet bei seinen Mitarbeitern aufzutauchen. So konnte er sich vergewissern, dass sie ihre Arbeit machten, anstatt die Zeit mit Internetsurfen oder privaten Telefongesprächen zu vertrödeln. Eigentlich war das nicht notwendig, denn er überwachte ihre Aktivitäten am Computer mittels einer geheimen Software, die ihm täglich per E-Mail Bericht erstattete. Aber er wollte ihnen den Eindruck vermitteln, allgegenwärtig zu sein.
»Mr Siders, ich kann Ihnen versichern, dass alles, worüberwir hier reden, unter meine anwaltliche Schweigepflicht fällt. Außerdem werden meine Mitarbeiter mir bei sämtlichen Aspekten Ihres Portfolios zur Seite stehen.«
»Verstehe, aber mir wäre es trotzdem lieber. Zumindest bei unserer ersten Besprechung.«
»Selbstverständlich. Aber unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Dass Sie Ihre Sonnenbrille abnehmen.«
Siders lächelte und kam der Bitte nach.
Erstes Warnzeichen,
dachte Roe, als er die Tür schloss. Alle Erfinder machten sich berechtigte Sorgen darüber, dass jemand ihr geistiges Eigentum klaute, aber wenn einer nicht mal seinem Anwalt vertraute, musste er geisteskrank sein.
»Ich habe mir erlaubt, im Vorfeld ein wenig zu recherchieren«, sagte Roe und setzte sich wieder in seinen Sessel. »Es sieht vielversprechend aus. Sie haben mir ja schon ein wenig über
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