Kite
»Report on the Environment«, abgekürzt ROE.
Vielleicht benutzte Luther diesmal den Vor- anstelle des Nachnamens. Ich probierte es mit »Chicago« und »Peter«, fand aber nichts Konkretes.
Ich fügte den Begriff »Sehenswürdigkeit« hinzu und hoffte, Hinweise auf Bauwerke, Parks oder Museen zu finden, bei denen Peter zum Namen gehörte.
Kein einziger Treffer.
Ich rieb mir die Augen. Das iPhone-Display verschwamm vor meinem Blick, wahrscheinlich, weil ich zu lange auf die winzigen Buchstaben gestarrt hatte. Aber meine Sehschärfe wurde davon nicht besser, und auf einmal wurde mir schwindlig und alles im Zimmer drehte sich um mich. Ich hielt mich an den Armlehnen meines Stuhls fest und nahm meine ganze Willenskraft zusammen, um nicht in Ohnmacht zu fallen.
Schließlich ließ die Benommenheit nach und ich wandte mich wieder Google zu.
Aus irgendeinem Grund enthielten Luthers Botschaften immer wieder Anspielungen auf Dantes
Inferno
. Ich durchstöberte das Internet nach weiteren Informationen zu diesem Werk.
Das
Inferno
war der erste Teil der
Göttlichen Komödie
. Darin begegnet Dante dem römischen Dichter Virgil, der ihn durch dieneun Kreise der Hölle führt. Dort wird er Zeuge des Leidens der Sünder. Die Qualen, die diese armen Schweine über sich ergehen lassen mussten, dienten Christen vom fünfzehnten Jahrhundert an als anschauliches Material – in der Bibel selbst mangelte es seltsamerweise an detaillierten Beschreibungen der Hölle. Unsere Vorstellung von Feuer und Schwefel und Dämonen, die die Verdammten quälen, verdanken wir in erster Linie Dante.
Letztendlich handelt das
Inferno
vom Pfad der Erleuchtung. Am Anfang irrt Dante ziellos umher, aber nach und nach hilft ihm der Anblick der in der Hölle schmorenden Sünder, den rechten Weg zu finden.
So ein Schwachsinn.
Ich scherte mich nicht viel um Religion, aber irgendwie fand ich die Vorstellung von einem Gott, der es zulässt, dass Menschen für alle Ewigkeit in heißem Öl braten, mit der von einem allmächtigen und gütigen Schöpfer unvereinbar. Die Hölle war ein Konzept, mit dem die Kirche die Massen kontrollierte und letztendlich eine Menge Geld verdiente.
Ich glaubte zwar nicht an die Hölle, aber gegen ein bisschen Erleuchtung hätte ich nichts einzuwenden. Ich bezweifelte jedoch, dass ich sie in einem mehrere Hundert Jahre alten Text finden würde.
Ich gähnte und rieb mir erneut die Augen.
Dann versuchte ich, den Auszug aus
Blauer Mörder
zu lesen, aber das Bild, das ich von dem Kindle-Bildschirm gemacht hatte, war zu klein, um etwas zu erkennen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mir noch so ein überteuertes E-Book von Andrew Z. Thomas zu kaufen und darin nach der Stelle zu suchen, die Luther markiert hatte.
Eine weitere Google-Suche ergab, dass das Zitat
Man glaubt bei euch nicht, wie viel Blut es kostet
ebenfalls von Dante stammte. Ferner war von der Kreuzung Oak und Sycamore die Rede. InIllinois gab es zwar hunderte Straßen, die so hießen, aber sie kreuzten sich nirgendwo, auch nicht in Chicago.
Das brachte mich nicht weiter. Ich hatte keine Ahnung, was Luther mir sagen wollte. Als mir nichts weiter dazu einfiel, schob ich mir ein Kissen unter die Füße und machte mich an die Lektüre von
Blauer Mörder
. Angesichts der Tatsache, dass jemand in sieben Stunden und fünf Minuten eines grausamen Todes sterben würde – wie mir ein Blick auf den Timer meines iPhones verriet –, gab ich mir größte Mühe, mich zu konzentrieren.
Anders als
Der Feuerteufel
und
Die Waffe des Mörders
, die sich durch einen schonungslosen Realismus auszeichneten, enthielt
Blauer Mörder
übersinnliche Elemente.
Das Buch handelte von einem Mann, den seltsame Vorahnungen befielen, die alle Wirklichkeit wurden. Nach einer Stunde Lektüre gelangte ich zu der Überzeugung, dass der Protagonist keineswegs die Zukunft vorhersehen konnte, sondern sich vielmehr an schreckliche Ereignisse aus seiner Vergangenheit erinnerte, die er nicht wahrhaben wollte. Plötzlich hörte ich jemanden an der Tür.
Sofort hatte ich meinen Colt schussbereit in der Hand.
Ich hörte, wie Phin »Ich bin’s« sagte, bevor er eintrat.
Er trug zwei Koffer und stellte sie neben die Tür.
»Hast du Duffy an Duffy geschickt?«, fragte ich.
Er nickte.
»Hat er, äh, einen Haufen gesetzt, bevor du ihn in die Transportkiste verpackt hast?«
Phin zog eine Augenbraue hoch. »Nee, er hat nur gepinkelt. Gibt es einen besonderen Grund, warum du mich nach den
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