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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Kork sie beinahe umgebracht. Und da waren noch andere – Charles Kork, Barry Fuller , die drei Heckenschützen, Der Chemiker und dieser Fettsack Donaldson –, aber Jack war aus allen Begegnungen siegreich hervorgegangen. In dieser Frau, da ist er sich sicher, steckt ein Karbonkern und eine Psyche von der Härte eines Diamanten.
    Und was passiert, wenn ein Diamant schließlich zerbricht?
    Luther weiß es nur zu genau.
    Ein spektakuläres Ereignis.
    Eine Veränderung katastrophalen Ausmaßes.
    Eine Kernspaltung.
    Und er ist der richtige Mann für diese Aufgabe. Einen Diamanten kann man nur mit einem anderen Diamanten zerschneiden.
    Er spricht ins Mikrofon: »Das ist die einzige Hilfe, die Sie von mir bekommen, Jack. Wenn Sie am Tor zu der Lagehalle ankommen, sehen Sie ein Tastenfeld. Was, glauben Sie, ist der Zugangscode?«
    »Woher soll ich … warten Sie.«
    Er hofft inständig, dass sie richtig kombiniert.
    »Sechs-sechs-sechs.«
    »Genau.«
    Sie geht weiter und Luther verfolgt jede ihrer Bewegungen durch das Zielfernrohr. Da das Gewehr auf einem Zweibein ruht, erfordert dies keinen besonderen Kraftaufwand. Bei dieser Entfernung – etwa vierhundert Meter – gibt es für diesen Zweck nichts Besseres. Er braucht nur leicht den Finger am Abzug zu krümmen, und schon hat seine Zielperson ihren letzten Atemzug getan.
    Damals, als er diesen Ort nach seinen Vorstellungen einrichtete, liefen ihm gelegentlich Drogenhändler und deren Handlanger über den Weg. Und manchmal verirrten sich heroinsüchtige Nutten auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen, wo sie sich einen Schuss setzen konnten, in diese Geisterstadt.
    Er hatte sich diese Leute geschnappt, ihnen die Spielregeln erklärt und sie dann wieder laufen lassen.
    Sie bekamen eine Flasche Wasser und zwei Minuten Vorsprung.
    Wer die Nacht überstand, bekam sein Leben geschenkt und durfte gehen.
    Für seine Menschenjagd benutzte er ein Bor-Scharfschützengewehr mit Kammerverschluss und dazu Munition vom Kaliber 7,62 x 51 mm.
    Das Spiel fand grundsätzlich immer nachts statt. Von seinem Versteck auf dem Wasserturm aus verfolgte Luther die Bewegungen seiner Zielpersonen durch ein Nachtsichtgerät und hielt sie die ganze Nacht auf Trab. Den größten Spaß hatte er immer dann, wenn er keinen einzigen Schuss abgeben musste.
    Er ließ seine Opfer einfach so lange rennen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Dann tötete er sie mit bloßen Händen.
    Wenn er seine Augen schließt, sieht er die graugrünen, körnigen Silhouetten der Läufer, wie sie völlig außer Atem in der Finsternis hinter einem Müllcontainer kauern und sich vor lauter Erschöpfung die Eingeweide aus dem Leib kotzen, während er ein Loch durch das Metall neben ihren Köpfen schießt, damit sie weiterrennen.
    Er sieht die nackte Angst in ihren Gesichtern. Ein unübertroffenes Gefühl.
    Kommt man erst einmal auf den Geschmack, wird es zu einer richtigen Sucht.
    Er ist ja so froh, dass er diese Stadt gekauft hat.
    Nicht die ganze Stadt. Das war auch nicht nötig, denn sie war ja verlassen. Aber er hatte genügend zwangsversteigerte Häuser und leer stehende Fabriken und Lagerhallen erworben, und das zu Spottpreisen, die fast schon krimineller waren als die Schandtaten, die er hier beging.
    Dieser Stadtteil gehörte Luther. Oder vielmehr das, was davon noch übrig war.
    Um aus einer Stadt eine Geisterstadt zu machen, bedarf es oft nur eines einzigen Auslösers. Zuerst schließt die Autofabrik, dann das Stahlwerk. Geschäfte können sich nicht mehr halten, weil die Menschen wegziehen.
    Und irgendwann stellen die Stadtwerke die Strom- und Wasserversorgung ein. Am Ende bleiben nur noch leer stehende, verfallene Häuser und Bauwerke.
    Der perfekte Ort.
    Er kann von Glück reden, dass er ihn gefunden hat und dass seine finanzielle Situation es ihm erlaubt hat, ihn nach seinen Wünschen und Vorstellungen umzubauen.
    Und jetzt, nach all dem Aufwand an Zeit, Geld und Mühe, ist es endlich so weit.
    Jack ist bereits fast an der ersten Lagerhalle angekommen.
    Luther legt das Gewehr unter die Plane und geht hinunterin den Kontrollraum, wo er sie auf dem Flachbildschirm sehen kann. Als er die Treppen hinuntersteigt, begreift er, dass alles, was bisher in seinem Leben passiert ist – das Gute, das Schlechte, Vergnügen und Schmerz –, letztendlich auf diesen Augenblick hinauslief.
    Oder vielmehr auf das, was in den nächsten Stunden geschehen wird.
    Er empfindet keine Freude. Zu echten

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