Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
auf! Bist du nicht verliebt, wirst du es bald sein.«
Die Verkäuferin lachte erleichtert auf. »Na, das hört sich für mich wiederum ganz nett an.«
Ich kam mir etwas albern vor, trotzdem entgegnete ich: »Also, ich fand, es klang gar nicht so nett. Es klang eher wie eine Drohung. Außerdem kenne ich diese gar Frau nicht!«
»Ja, es ist etwas seltsam«, gab die Verkäuferin zu, »aber Frau Janson ist eine verwirrte alte Dame. Sie lebt seit Ewigkeiten ganz zurückgezogen und allein am Ortsrand. Da kann man schon mal komisch werden. Außerdem hat Britta Janson sich nie von dem tragischen Verlust ihrer Schwester erholt. Du solltest es also nicht ernst nehmen, wenn Britta so etwas zu dir sagt, junges Fräulein.«
Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich junges Fräulein nannte, aber ich war neugierig geworden. Ein tragischer Verlust? Darüber musste ich mehr erfahren. Wie konnte ich die Frau dazu bringen, mehr über diese Geschichte zu erzählen? Während ich überlegte, betrachtete ich weiterhin die Käseauslage. Die Verkäuferin deutete mein Zögern falsch. »Soll es doch noch etwas sein? Diesen Käse kann ich empfehlen. Es ist ein schwedischer Waldkäse. Er wird aus der Milch von Kühen hergestellt, die im Wald frei herumlaufen. Der Käse ist sehr würzig. Willst du ein Stück probieren?«
»Gern. Mmh, ja der ist lecker. Davon nehme ich auch noch ein Stück.« Ich lächelte. »Sie sagten eben, ›ein tragischer Verlust‹, könnten Sie mir etwas darüber erzählen?«
Die Käseverkäuferin blickte sich unsicher um. Aber kein anderer Kunde war zu sehen. Sie zögerte kurz, erklärte dann bereitwillig: »Ich weiß selber nicht viel darüber. Die Sache ist schon gut 50 Jahre her. Man erzählt sich, Brittas Schwester wäre damals unter mysteriösen Umständen verschwunden. Marietta, so hieß das Mädchen, war kaum älter als 16 Jahre. Sie lief einfach bei Nacht und Nebel von zu Hause weg und wurde nie wieder gesehen. Die Bewohner des Ortes glaubten damals, das Mädchen wäre mit einem ihrer zahlreichen Verehrer abgehauen. Sie war wohl sehr schön und alle jungen Männer aus der Umgebung waren hinter ihr her. Doch Britta glaubte das nicht. Sie war sich sicher, ihrer Schwester sei etwas Schlimmes zugestoßen. Du musst wissen: Die beiden waren unzertrennlich, Zwillinge eben. Britta hat damals keine Ruhe gegeben, bis alle Männer des Ortes ihre Schwester suchten. Überall haben sie gesucht. Die Männer durchkämmten die umliegenden Wälder und suchten sogar mit Netzen in den Seen.«
»Und hatte man etwas gefunden?« Ich ahnte schon die Antwort.
»Nein, nichts. Nicht eine Spur von dem Mädchen! Einige Zeit später gab man die Suche auf. Alle glaubten, Marietta wäre mit einem jungen Mann fortgelaufen und würde irgendwann wieder zurückkommen.«
»Aber sie kam nicht zurück?« Ich blickte die Verkäuferin fragend an.
»Genau! Sie hat sich nie wieder gemeldet. Für Britta war es ein schlimmer Schlag. Sie versuchte weiterhin die Leute zu überzeugen, dass ihrer Schwester etwas angetan wurde. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Darüber ist sie wohl zerbrochen. Soweit ich weiß, hat Britta nie geheiratet. Ein trauriges Schicksal.« Die Verkäuferin reichte mir die Tüte mit dem Käse über die Theke.
»Und was glauben Sie?«, hakte ich nach.
»Ich? Na, ich war damals noch gar nicht auf der Welt. Meine Tante erzählte mir nur einmal, ein alter Holzfäller habe Marietta öfter mit einem fremden Jungen beim Baden im See gesehen. Das hat er wohl auch den anderen Leuten erzählt und so wurde die Suche dann aufgegeben. Ich denke, sie ist mit dem Jungen durchgebrannt. Das hört man ja immer wieder. Bestimmt waren die Eltern gegen eine Verbindung der beiden jungen Leute und na ja …, wie es damals halt so war. Da war die Liebe zu einem hübschen jungen Mann stärker als zur Schwester. So etwas passiert doch auch heute noch alle Nase lang.«
Ich starrte die Verkäuferin ungläubig an. »Aber hat man denn nicht versucht, nach dem fremden Jungen zu suchen? Weiß man nicht, wer er war? Und warum hat sich Marietta in den 50 Jahren nie bei ihrer Schwester gemeldet? Sie hätte ihr doch schreiben können …sie …« Ich war ganz aufgelöst. Ich konnte den Schmerz von Britta Janson nachvollziehen, denn ich musste sofort an Ben denken.
Die Verkäuferin zuckte die Schultern. »Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich weiterarbeiten.«
»Ja, entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange in
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