Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Ich war einfach nur orientierungslos. Ich spielte ein paar Gedankenspiele über meine Zukunft, in denen ich das Thema Liebe zunächst mal ausblendete und wechselte dabei mechanisch den Gummifisch gegen einen Löffelblinker aus. Hoch über mir zog ein Raubvogel seine Kreise. Ich blickte zu dem majestätischen Vogel hinauf und beobachtete ihn eine Weile.
Was immer auch die Zukunft bringen würde, eines war mir klar: Ein gut aussehender, dunkelhaariger Typ würde darin keine Rolle spielen und überhaupt ging es jetzt erst einmal darum, für One und mich etwas Leckeres zum Abendessen zu fangen.
Als ich im Licht der tief stehenden Sonne das Boot zurück steuerte, war ich mit der Ausbeute des Tages sehr zufrieden. Ich hatte einen mittelgroßen Hecht und zwei Barsche an die Angel locken können. Meine Beute würde eine hervorragende Fischpfanne abgeben. Als ich zum Fischausnahmeplatz neben dem Bootshaus ging, bemerkte ich, dass jemand an der roten Wand lehnte.
»Was machst du hier?«, fragte ich kühl.
Kjell zog, von meiner Begrüßung anscheinend überrascht, eine Augenbraue hoch. »Hej, ich freue mich auch, dich zu sehen!«
»Ach ja? Das ist ja mal etwas ganz Neues!«, erwiderte ich scharf. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Gestern noch hatte er mich wie ein kleines dummes Mädchen behandelt und einfach stehen lassen.
»Ich habe es dir doch erklärt«, sagte Kjell nur.
»Wenn du ›Ich hasse anhängliche Mädchen‹ für eine passende Erklärung hältst, bitte. Aber keine Angst, ich werde dir garantiert nicht mehr hinterherlaufen.« Damit ging ich ungerührt an Kjell vorbei.
Ich legte die Fische auf den Tisch hinter dem Bootsschuppen und stellte eine Schüssel Wasser daneben.
»Nein«, sagte Kjell und seine Stimme nahm dabei einen sanften Klang an. »Ich habe dir eine Nachricht am Boot hinterlassen.«
»Ach, wirklich?« Ich tat so, als hätte ich seine Botschaft nicht gesehen. Nebenbei suchte ich in meiner Angelkiste nach dem Filetiermesser und hoffte, dass Kjell nicht bemerkte, wie ich rot wurde. Ich war noch nie eine gute Lügnerin gewesen.
»Ja, hast du sie denn nicht gefunden?«
»Nein«, antworte ich. Gefunden hatte ich seine Nachricht am Morgen wirklich nicht mehr, auch wenn ich sie gestern noch am Ruderboot hatte hängen sehen.
Kjell blickte kurz nachdenklich drein. »Hm, vermutlich hat sie der Wind heute Nacht gelöst.«
»Was stand denn drin?«, fragte ich möglichst unbeteiligt. Während ich noch nach dem Fischentschupper suchte.
»Ach, das ist nicht mehr wichtig«, wich Kjell meiner Frage aus.
Was mich noch wütender machte. Nie rückte er direkt mit der Sprache heraus. »Und deswegen bist du hier? Um mich zu fragen, ob ich eine unwichtige Nachricht erhalten habe?« Ich funkelte ihn an.
»Nein, du Hitzkopf. Deswegen bin ich nicht hier.« Er grinste.
»Wer ist hier ein Hitzkopf?«, fuhr ich ihn an und knallte das Filetiermesser und den Fischentschupper so auf den Tisch, dass das Wasser aus der Schale schwappte.
Kjell lachte und auch ich musste mir in dem Moment ein Lächeln verkneifen.
Ich begann energisch die Barsche zu entschuppen. Kjell beobachtete mich dabei und meinte leicht amüsiert: »Muss ich mich jetzt vor dir fürchten?«
»Wenn du ein Fisch bist, ja!«
Ich fuhr fort die Fische auszunehmen und zu waschen. Kjell stand immer noch an den Schuppen gelehnt da und sah mir zu. Einige Minuten sprachen wir kein Wort. Außer dem Summen der Mücken, die mich wild umschwärmten, war es still.
»Also …«, begann ich erneut.
»Also?«, fragte er.
»Weshalb bist du hier?« Ich griff nach dem Messer, um die Köpfe abzutrennen.
»Es tut mir leid«, murmelte er. Bevor ich etwas erwidern konnte, baumelte plötzlich ein dunkler Gegenstand vor meiner Nase. Ich hob den Kopf. Kjell hielt mir eine silberne Kette mit einem Hornanhänger vor das Gesicht. So ähnlich wie die Anhänger, die ich im ICA-Markt gesehen hatte. Ein schwarzer, gebogener Hornanhänger, mit einem weißen Fleck und einer silbernen Einfassung.
»Ist die für mich?«, fragte ich überflüssiger Weise.
»Für wen den sonst? Komm, ich mache sie dir um«, sagte Kjell und trat hinter mich. Ich wusch mir die Hände mit etwas Wasser und trocknete sie ab. Dann hob ich meine Haare aus dem Nacken. Kjell legte mir die Kette um und blieb einen Augenblick dicht hinter mir stehen. Ich hielt den Atem an. Seine Nähe verwirrte mich immer wieder. Er trat einen Schritt zurück und ich drehte mich zu ihm hin. Er nahm den Anhänger, der
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